man einen Selbstmörder eine Stunde lang aufhalten, so sieht er vom Vorsatz
ab und kommt nicht wieder darauf zurück.
über die Fehler ist kein Wort zu verlieren. Es ist nicht der Schatten einer
Erklärung dafür zu geben, daß man auch bei völligem Nervenzusammenbruch
die Form der Bitte um Waffenstillstand gewählt hat, statt einfach eine Inter-
pretation der 14 Punkte zu verlangen.
Können wir also 6—9 Monate halten? Die Truppenbilanz ist meines Er-
achtens die:
1. Wenn der Brester Friede reformiert wird (was aus politischen Gründen
dringend erforderlich ist), so werden mehrere 100000 Mann frei.
2. Eine Auskämmung der Heimat, der Etappen und auch der Front schafft
meiner Schätzung nach 200000 Dann.
3. Von rlaubern kann eine halbe Million zurück.
4. Der Jahrgang 1900 wird noch einen anständigen Nest liefern.
5. Ein Aufruf an die älteren Leute, mit schärfster Ausschaltung der körper-
lich und seelisch An3zulänglichen, wird über 100000 Mann bringen.
Der Industrie und dem Verkehr dürfen keine Kräfte entzogen werden.
Die verfügbare Summe wird sich auf ein bis anderthalb Millionen Menschen
belaufen.
Sollte der Ausfall des rumänischen und galizischen Oles eintreten (bis dahin
muß soviel wie möglich zur Raffination im Inland abtransportiert und auf.
gespeichert werden), so muß mit allgemein menschlicher Begründung der U. Boot.
krieg aufgegeben werden, der ohnehin keine Bedeutung mehr hat und meiner
Meinung nach nie gehabt hat.
Die Organisation der Kriegführung muß geändert werden. Ohne Gindeglied
stehen sich heute Oberste Heeresleitung und Parlamentsregierung gegenüber.
Läßt man den Dingen ihren Lauf, so wird die Parlamentsregierung in die Oberste
Heeresleitung eindringen, was bedenklich ist. Das gegebene Bindeglied ist das
Kriegsministerium, das bis zu einem bestimmten Grade parlamentarisiert, wenn
möglich in ein Verteidigungsamt umgewandelt werden sollte, das auch nach außen
dem Eindruck des Volkskrieges und der Massenerhebung entspricht. Es muß
also gleichzeitig Bindeglied zwischen Regierung und Front und Bindeglied
zwischen Armee und GVolk darstellen. Dieses ist zu erreichen durch Angliederung
eines Kriegsrates oder Kriegsausschusses, der den bürgerlichen und sozialen
Elementen der neuen Regierung Rechnung trägt.
In der Front selbst bedarf es gewisser Reformen, um der Unzufriedenheit zu
steuern; sie beziehen sich in erster Linie auf Verpflegung, Arbeitsersparnis, Um-
gestaltung der jüngeren Offiziersbestände und Behebung der wachsenden Gegen-
sätze zwischen jüngeren Offizieren und Mannschaften.
Zum Schluß gestatte ich mir eine Bemerkung, die vielleicht über das Maß
des Erlaubten hinausgeht. Für den fähigsten, großzügigsten und in der Be-
handlung von Menschen und Korporationen geeignetsten Offizier halte ich Oberst-
leutnant Koeth; ich möchte glauben, daß er als Unterstaatssekretär eines Ver-
teidigungsamtes der rechte Mann am rechten Hlatze wäre.
In wahrhafter Verehrung Euer Exzellenz
ergebenster
Aathenau.“
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