konnte ich mich auch heute nicht lossagen von meiner Kritik an Friedens-
resolutionen und westlichen Phrasen. Meine Verlegenheit war jetzt groß,
um so größer, als ich bei meinem Amtsantritt gezwungen worden war,
meine eigene Politik zu verleugnen: ich hatte eine Regierung zu vertreten,
die ich nicht gebildet hatte und wie ich sie nie gebildet haben würde, und
ein Angebot zu unterzeichnen, das ohne mich beschlossen und gegen mich
aufrechterhalten worden war. Im Vergleich zu unserer Bitte um Waffen-
stillstand war die von mir kritisierte Friedensresolution noch eine Fanfare
gewesen, und bei der Bildung der Regierung war nach einem demokra-
tischen Rezept verfahren worden, das sogar in parlamentarisch regierten
HOändern des Westens unbekannt ist. Bisher hatte ich keine Gelegenheit
gefunden, mich zu meinem eigenen Programm zu bekennen, das nun die
Entente ans Licht zog.
Der Brief war am 9. Oktober 1918 in der von der Entente dirigierten
„Freien Zeitung“ in Bern erschienen. Havas und Deuter hatten ihn zwar
aufgegriffen, aber die feindlichen Länder interessierten sich in diesem Augen-
blick für die militärische Lage Deutschlands und gar nicht für die Privat-
korrespondenz seines Kanzlers.
„Es schien kaum notwendig, die Note des Prinzen Max mit der Veröffent-
lichung (und dem wahrscheinlichen Diebstahl) seiner Privatbriefe zu beantworten.
Aber, einmal angenommen, daß die Dokumente echt sind, was beweisen sie?
Es ist erwiesen, daß Prinz Max, der Kanzler des Deutschen Reiches, in freund-
schaftlicher Korrespondenz mit dem Drinzen Alexander von Hohenlohe steht,
einem entschiedenen Hazifisten und aus seinem GVaterland Verbannten. Es ist
genau das gleiche, als ob man entdeckte, daß Mr. Lloyd George (per impossibile)
mit Mr. Namsay Macdonald in privater GVerbindung stände. Es ist selbst.
verständlich, daß Hrinz Max in einem Schreiben an einen Fanatiker eher seine
Vorbehalte als seine Abereinstimmung hervorhebt. Ist das eine unbekannte oder
zu verurteilende Erscheinung?“ 1
In Deutschland aber brach die Erregung los gemäß dem ODlan der
Entente: Herr v. Gerlach gab in der „Welt am Montag" (14. Oktober)
das Stichwort: „Ein unmöglicher Kanzler“.
Der Brief rief tiefe Kränkung und Beunruhigung unter meinen parla-
mentarischen Mitarbeitern und den sie stützenden Parteien hervor. Man
war bei uns gewohnt, die Männer des öffentlichen Lebens entweder den
Majoritätsparteien zuzurechnen oder der Vaterlandspartei. Die Hinie:
weder Angebote noch herausfordernde Ziele, war zwar scharf
in meinen Reden verfolgt worden, aber die Parlamentarier hielten sich
mit derlei feinen Unterscheidungen nicht auf — schon vor meinem Amts-
1 „Nation“ vom 12. Oktober 1918.
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