Full text: Prinz Max von Baden. Erinnerungen und Dokumente.

antritt wurde ich von der Majorität als Gesinnungsgenosse gezählt. Nun 
schien mit einem Male alles Vertrauen vernichtet. 
Ich beschloß, den Interfraktionellen Ausschuß zusammenzurufen, mich 
zu dem Gedankengang des Briefes zu bekennen und den verspäteten Ver- 
such zu machen, die von mir verfolgte dritte Linie herauszustellen. Ich 
wollte auf solider Grundlage neues Vertrauen finden oder zurücktreten. 
Am 12. und 13. Oktober tagte der Interfraktionelle Ausschuß in Be- 
trübnis und Permanenz, klagend, richtend, Gutachten hörend, erst allein im 
Reichstag, dann bei Dayert — zunächst in kleinem Gremium und dann 
vollzählig, um meine Erklärung entgegenzunehmen —, später, um den Staats- 
sekretär Solf und den inzwischen eingetroffenen Grafen Rantgau über die 
Auslandswirkung des Briefes und über meinen politischen Leumund zu 
bören. 
Die Gewissensnot der Sozialdemokraten beherrschte die Verhandlungen: 
können wir Mitglieder einer Regierung bleiben, an deren Spitze dieser 
rinz steht? 
Scheidemann hatte bereits ein formuliertes Entlassungsgesuch? mit.- 
gebracht und las es dem Ausschuß vor. Er fügte hinzu: Alle unsere In- 
stanzen sind eimmütig, wir können unmöglich im Kabinett bleiben. Wilson 
würde mit diesem Kanzler nicht mehr verhandeln wollen. „Ich kann nicht 
leugnen, daß ich den Drinzen Max in den wenigen Tagen liebgewonnen 
habe.“ 3 Aber es sei undenkbar, daß der Prinz bliebe. Ebert sekundierte: 
Die olitik des Kanzlers hätte konsequent geschienen — das Gradlinige 
sei nun völlig zerstört. 
Erzberger und Stresemann wiesen auf das Anzweckmäßige eines Kanzler- 
wechsels hin: gewisse Fortschritte seien nur durch den Prinzen möglich; — 
Stresemann ermahnte die Sozialdemokraten, keine Revolution zu machen. 
Payer und Haußmann redeten Ebert und Scheidemann gut zu: Die 
Behandlung der Angelegenheit sei der Prüfstein, ob man Wichtiges von 
Anwichtigem zu unterscheiden vermöge. Haußmann meinte: Ein Pudel 
sei kein Elefant, wenn er auch keine Mücke sei. Einmal riß ihm die Geduld, 
er rief Scheidemann zu: Sie können ja die Kraftprobe machen und das 
Kabinett sprengen — aber es sei doch wohl besser, den Kanzler erst zu 
hören. 
Als ich um 5 Ahr nachmittags in der Sitzung des Interfraktionellen Aus- 
schusses erschien, war die Stimmung noch äußerst gedrückt: die Sozial- 
demokraten sahen keinen anderen Ausweg als meinen ARücktritt, und die 
1 VBgl. Dayer, a. a. O., S. 130 f. 
: Gedr. Scheidemann, a. a. O., S. 182 f., vgl. auch ebd. S. 177 ff. 
* Pgl. Haußmann, a. a. O., S. 248, auch für das Folgende. 
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