Full text: Prinz Max von Baden. Erinnerungen und Dokumente.

Auf der anderen Seite meldeten sich Anzeichen, daß der General 
Ludendorff sich auf den Abbruch der Verhandlungen vorbereitete. Er 
schickte seiner Ankunft die folgende Frage voraus:½ 
„Wird das deutsche Volk, nicht nur die Kreise der Gebildeten, sondern 
in seinen breiten Massen, in den Kampf bis zum Außersten mitgehen, 
wenn es das Bewußtsein hat, daß sich dann unsere militärische Lage 
genügend verstärkt, um das Eindringen der Feinde über die Landes- 
grenze zu verhindern, oder ist die moralische Widerstandskraft so er- 
schöpft, daß diese Frage nicht unbedingt bejaht werden kann? Dabei 
handelt es sich nicht um Zwang, sondern um freien Willen.“ 
Darauf gab es leider nur eine Antwort: Noch ist das deutsche Volk nicht 
bereit. Der General Ludendorff hat recht, wenn er das entscheidende Ge- 
wicht auf den freien Willen legt: Zwang vermöchte niemals die letzte Kraft 
aus diesem todmüden Volk herauszuholen. Für den Entscheidungskampf 
mußte eine Parole gegeben sein, die den primitiven Selbsterhaltungstrieb 
der Nation losbrechen ließ. „Lieber, als den U. Bootkrieg aufgeben, gehen 
wir in den Verzweiflungskampf“ — das war nicht der Weckruf, den wir 
brauchten, auch wenn alle Kirchenglocken Deutschlands gleichzeitig Sturm 
läuteten. Das Volk unterschägtzte heute den tatsächlichen Wert des U.Boot- 
krieges aus einem Gefühl bitterer Enttäuschung heraus über die befristeten 
Versprechungen der Marine, die unerfüllt geblieben waren. Auch gegen 
die Einmischung in unsere inneren Angelegenheiten stand die Leidenschaft 
der Massen nicht auf. Was sagte diese Note Neues gegenüber den Auße- 
rungen, die der Dräsident schon so oft getan hatte. Als wir ihn zu Hilfe 
riefen, wußten wir, daß die Beseitigung des preußischen Militarismus auf 
seinem Programm stand, und nicht nur sein Fanatismus, sondern auch sein 
und seines Volkes Drestige an dieses Kriegsziel gebunden war. Ansere 
Bitte um Waffenstillstand hatte das nationale Ehrgefühl von 
Millionen Deutscher tödlich getroffen. Wenn aber Forderungen vor 
dem deutschen Volke ständen, bestimmt, uns nicht allein zu entehren, son- 
dern den Feinden wehrlos auszuliefern, nicht angedroht in doppelsinnigen 
Worten oder von der deutschen Regierung aus Wilson-Noten heraus- 
geholt und ausgedeutet, sondern als furchtbare Wirklichkeit, als festgelegte 
Bedingungen für den einzigen Waffenstillstand, den die Feinde uns geben 
wollen — sagen wir: die Lbergabe unserer Flotte, unserer Festungen, 
Elsaß-Lothringens —, dann, aber nur dann, würde ich handeln können, wie 
der Graf Arnim-Boitzenburg von mir forderte; ich würde, das war mein 
Glaube, Deutschland bereit finden. 
1 Sitzung der Staatssekretäre vom 16. Oktober, Amtliche Urkunden Nr. 54. 
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