Full text: Prinz Max von Baden. Erinnerungen und Dokumente.

3. Im Gegensatz zur „Times“-artei stellen Sir Edward Grey und 
Sir John Simon am 22. und 23. März 1915 Belgien als Kriegs- 
anlaß und als Kriegsziel in den Vordergrund: 
„Wenn wir die Veranlassung des Krieges betrachten, so finden wir die Er- 
klärung unserer nationalen Einigkeit, die Inspiration zu unserer nationalen Ge- 
schlossenheit, den Schlüssel zu unserem nationalen Kriegsziel, wenn wir den 
belgischen „aspect" im Auge behalten.“ 
Bemerkenswert ist, daß weder Grey noch Simon die elsaß-lothrin- 
gische Frage mit einem Wort erwähnen. Das einzige beim Namen ge- 
nannte Kriegsziel ist: Integrität und Entschädigung Belgiens.1 
Eine Erkundung im Haag im April 1915 bestätigte diese Deutung. Auf 
einer internationalen Pazifistenkonferenz kommen deutsche und englische 
Pazifisten in nähere Berührung. Der englische Lektor der Zentralstelle be- 
gleitet die deutschen Herren als Dolmetscher. Lowes Dickinson, einer 
der feinsten bistorisch-politischen Schriftsteller Englands, glaubt über die 
Ansichten Sir Edward Greys orientiert zu sein. Der deutsche Bericht 
über die Besprechungen lautet in seiner entscheidenden Stelle: 
„Das belgische Problem stände für den Engländer auch heute noch 
durchaus im Vordergrunde, und zwei Dritteln des englischen Volkes 
würde der Krieg leid sein, sobald man wisse, daß Deutschland Belgien 
nicht dauernd behalten wolle. Nach diesem Zeugnis also wäre die Zer- 
rissenheit des englischen Volkes, die bei Vermeidung der belgischen 
Neutralitätsverletzung zu Anfang des Krieges bestanden hätte, jetzt 
noch herbeizuführen. Das Resultat davon würde nach der Meinung 
unserer Gewährsmänner ein baldiger Friede sein, aber, wenn unsere 
Gewährsmänner sich darin täuschen sollten, was wir für möglich halten, 
so würde für die englische Kriegspartei die Fortsetzung des Krieges auf 
die größten Schwierigkeiten stoßen.“ 
Gleichzeitig beruft sich ein hoher holländischer Beamter auf eine direkt 
aus dem englischen Foreign okkice stammende Mitteilung, daß die Er- 
klärung über Belgien den Weg zu Friedensverhandlungen öffnen 
würde. 
1 Bgl. die Mitteilung von Colonel House an Wilson vom 15. Februar 1915 aus 
London: „Tatsächlich besteht keinerlei Stimmung, außer in einem ganz kleinen Kreise, 
für etwas anderes als Kriegsergebnis als eine dauernde Friedensregelung und 
die Räumung und Entschädigung Belgiens; aber niemand glaubt, daß Deutschland 
dazu bereit ist.“ (he Intimate Papers of Colonel House, London, Vol. I, S. 380.) 
1 Verfasser von „The Greek View of Life“, „The Meaning of Gocd“, „The 
European Anarchy“, „War: its Nature, Causes, and Cure“. 
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