Full text: Prinz Max von Baden. Erinnerungen und Dokumente.

leidet, und die Stimmung war deshalb schlecht. Trotzdem dachte niemand 
daran, daß wir zugrunde gehen könnten. 
Als wir die erste Note schickten, haben sich die Leute gefragt, was ist 
los? Es scheint doch nicht so gut zu sein. Bald wurde die Stimmung un- 
sicher. Als nun die zweite Wilson-Note kam, da ist die Stimmung zusammen- 
geklappt, und man hat gesehen, daß es uns ans Leben geht, aber auch 
diese Stimmung schlug wieder um: bei der Erkenntnis, daß wir als Nation, 
vor allem auch wirtschaftlich, zugrunde gerichtet werden sollen, überlegt 
sich jeder: müsssen wir das erdulden oder gibt es noch eine Möglichkeit, 
das abzuwenden? Wenn wir den Leuten sagen: es gibt noch eine Mög- 
lichkeit, das abzuwenden, wenn ihr nur durchhaltet; wenn ihr aber nicht 
noch ein paar Wochen halten könnt, dann müßt ihr damit rechnen, daß 
Deutschland halb und halb aus dem Kreise der Nationen ausge- 
strichen wird. Ihr müßt mit einer Belastung durch Entschädigungen 
rechnen, die uns erdrücken wird — dann könnte man sie noch einmal hoch 
bekommen. 
Wenn es gelingt, die Note so zu fassen, daß die Bevölkerung die Sicher- 
heit entnimmt, wir sind zwar in einer schweren Lage, aber wir werfen 
die Flinte nicht ins Korn — dann ist noch nicht alles verloren. 
General Ludendorff: Der WVizekanzler hat mir aus der Seele ge- 
sprochen. Es fragt sich nur: wie schaffen wir's? Da kann ich nur die Bitte 
wiederholen: Packen Sie das Volk. Reißen Sie es hoch. Kann das nicht 
Herr Ebert tun? Es muß gelingen. 
Vizepräsident Friedberg: Jedenfalls muß sehr schnell gehandelt 
werden. In der letzten Zeit war die Lage sehr schwierig. Wir haben die 
Oberpräsidenten hier versammelt gesehen. Die sämtlichen Pastoren von 
Verlin traten zusammen. Die arteien halten Fraktionssitzungen — kein 
Mensch weiß, woran er ist, und alle fassen sich an den Kopf, wie man plötz- 
lich vor einer solchen Katastrophe stehen kann. Wir werden aufgefordert 
zu sagen: stellt die Lage sehr ernst dar, aber noch nicht verzweifelt. Damit 
bekommt man keine Hochstimmung. 
General Ludendorff: In keiner Weise. 
Vizepräsident Friedberg: Jetzt hören wir, daß die Sache wesentlich 
anders liegt. Da stimme ich mit Exzellenz v. Payer darin überein, daß 
wir rasch aus der Note an Wilson herausholen sollten, was herausgeholt 
werden kann. 
Der Reichskanzler: Eure Exzellenz meinen, daß vier Wochen guter 
Stimmung nötig sind? 
General Ludendorff: Wenn es mehr sind, ist es mir lieber. Jeden- 
falls wird nach dieser Frist die Krise an der Westfront zu Ende sein, 
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