und die überwiegende Mehrzahl der Herren auf der Seite der Regierung ge-
funden. An einer Stelle der Note war Kritik geübt worden. Dandl wünschte
das Zugeständnis in der U. Bootfrage deutlicher ausgesprochen. Ferner war
der NRat gegeben worden, das Militärkabinert abzuschaffen oder wenigstens
seine Stellung verfassungsmäßig zu regeln und womöglich noch „pari
passu“ mit unserer Antwortnote vorzugehen. Dandl hatte die Sitzung mit
den Worten geschlossen: Die Oberste Heeresleitung dürfe nicht nur auf sich,
sie müsse auch auf den Kaiser sehen.
Graf Lerchenfeld sprach mir von der stürmischen Friedenssehnsucht in
Bayern. Was er sagte, deckte sich ganz mit den Informationen, die wir
von dem preußischen Gesandten in München, Herrn v. Treutler, erhalten
hatten.
München, den 20. Oktober 1918.2
„Es erscheint mir Hflicht, dringend davor zu warnen, aus dem geschlossenen
Ton fast der gesamten Presse Schlüsse auf die wahre Stimmung zu ziehen. Tat-
sächlich wünscht überwiegende Mehrheit nur Frieden.
Treutler.“
Ein gerade eintreffender Brief des Kronprinzen Rupprecht gab mir die
Gewißheit, daß der General Ludendorff auch die Stimmung der Armee
nicht hinter sich hatte, wenn er dem Abbruch der Verhandlungen „mit
Ruhe entgegensab“.
Unter dem 18. Oktober schrieb mir Kronprinz Rupprecht über die mili-
tärische Lage:
„Gielleicht wird es Dich interessieren, etwas über die militärische Seite
der Lage zu vernehmen: Unsere Truppen sind übermüdet und in er-
schreckender Weise zusammengeschmolzen. Die Kopfzahl der kampf.
fäbigen Infanterie einer Division beträgt selten 3000 Mann, meist ist
die Infanterie einer Division etwa gleich 1—2 Bataillonen zu rechnen,
in einzelnen Fällen sogar nur 2—3 Kompagnien. — Sehr viele Ma-
schinengewehre gingen verloren, und es mangelt an ausgebildeten
Schügen. Ebenso hat die Artillerie recht viele Geschütze eingebüßt und
leidet unter dem Mangel an ausgebildeten Richtkanonieren. Bei ein-
zelnen Armeen sind 50 Prozent der Geschütze ohne Bespannung! Auch
fehlt es an Munition und gerade für besonders wichtige Geschützarten,
wie Feldkanonen 16, leichte Feldhaubitzen, 10-Zentimeter-Kanonen, da
in der Heimat nicht mehr genügend gefertigt werden kann. An aktiven
Offizieren sind nur noch welche in den höheren Stäben zu finden, außer
den Regimentskommandeuren.
1 Amtliche Urkunden Nr. 66.
Prinz Max von Baden 30 465