Full text: Prinz Max von Baden. Erinnerungen und Dokumente.

machen. Der Kriegsminister erhielt daraufhin den Auftrag, noch einen 
neuen Aberzeugungsversuch zu unternehmen. Er kam nach einer halben 
Stunde vom Telephon zurück, ohne mit irgendeinem Vernunftgrund durch- 
gedrungen zu sein. Er hatte dem General immer wieder die Alternative 
vorgestellt: Wenn Sie verhandeln wollen, geben Sie den verschärften 
U. Bootkrieg auf. Wenn Sie ihn führen wollen, brechen Sie die Ver- 
handlungen ab. Der General wollte an das Entweder-Oder nicht glauben. 
Scheüch meinte zu Haeften: „Ich beneide Sie nicht, daß Sie jeden Tag 
diese Telephonkämpfe durchfechten müssen.“ 
Die Oberste Heeresleitung blieb bei ihrer Meinung, aber es gelang dem 
Kriegsminister, den Herren klarzumachen, daß in Anbetracht der erwarteten 
Großkämpfe die Absendung der Note beschleunigt erfolgen müsse. 
Spät am Abend hatte ich noch eine unangenehme #berraschung. Simons 
teilte mir in großer Erregung mit, Solf hätte gegenüber den plöglich auf.- 
tauchenden Bedenken einiger Staatssekretäre die beiden Sätze, auf die ich 
solchen Wert legte, nicht halten können, und die Note ginge nun ohne die 
Verwahrung gegen entehrende Bedingungen und gegen die Hunger- 
blockade heraus. Meine Entrüstung war groß, und ich schrieb sofort an den 
Staatssekretär Solf einen bitterbösen Brief, der ihn noch vor Mitter- 
nacht erreichte und bewirkte, daß unsere Note, die um 12 Uhr 20 Minuten 
herausging, wenigstens den Ehrenpassus wieder enthielt. 
Ich suchte mir die veränderte Haltung meiner Mitarbeiter zu erklären. 
Der öffentliche Pessimismus hatte seit dem 18. Oktober reißende Fort- 
schritte gemacht. Der Fall Lilles, Ostendes und Douais traf die Bevölke- 
rung ebenso stark wie die Sonderverhandlungen der Türkei mit dem Feinde. 
Gleichzeitig wurde Wilsons Note vom 16. Oktober an Osterreich bekannt, 
welche die Jugoslawen und Tschechosflowaken ermächtigte, die Donau- 
monarchie aufzulösen. Die parlamentarischen Staatssekretäre waren be- 
sonders beeindruckt durch eine Sitzung des Interfraktionellen Ausschusses, 
in der nach Referaten von Scheidemann und Haußmann zwar die Linie 
des Kabinetts gebilligt, aber von allen Seiten der täglich wachsenden Kriegs- 
müdigkeit Erwähnung getan wurde. Am schwersten wogen Eberts Worte: 
Das Golk deute auf Ludendorff als den Schuldigen; aller Haß richte 
sich gegen Wilhelm II. Die Unabhängigen ließen ihren Geist durch die 
svchologie der Munitionsarbeiter bestimmen; man könne die Masse 
nicht mehr lange beim Kriege halten; trotzdem gälte es, noch Wider- 
standskraft zu markieren. 
Unsere Note fand in der Offentlichkeit scharfe Kritik — fast noch mehr 
wegen der Form als wegen des Inhalts. 
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