Haeften sollte erneut in ultimativer Form fordern, daß die Oberste Heeres-
leitung der inzwischen abgegangenen Note nachträglich zustimmte. Er kam
ganz verzweifelt aus der Kabinettssitzung, Üüberzeugt, daß der ihm gewor-
dene Auftrag sinn- und zwecklos war. Im Vorzimmer traf er Hahn und
machte ihn mit der neuen Krisis bekannt. Hahn wies seinen früheren Chef
darauf hin, daß die Staatssekretäre ja urbi et orbi verkündeten, sie seien
ject Herren im eigenen Haus. Daran sollte man sie erinnern und sie
darauf aufmerksam machen, daß es keinen größeren Beweis ihrer Macht
gäbe, als wenn sich der General Ludendorff fügte, obgleich er nicht über-
zeugt sei. Das leuchtete Haeften ein. Er eilte in das Beratungszimmer
zurück, wo er den rührigsten Staatssekretär, Herrn Erzberger, in eine Ecke
zog und ihm darlegte: Die politische Macht läge jetzt in den Händen der
Regierung, die Oberste Heeresleitung sei kein politischer Machtfaktor
mehr. Nicht darauf käme es an, daß die O. H. L. und die Reichsleitung
stets einer Meinung seien, sondern daß die Reichsleitung immer die
ihrige durchsetze. Erzberger fiel es wie Schuppen von den Augen: „Da
haben Sie eigentlich ganz recht, es ist nur gut, wenn man in der Welt
weiß, daß wir eigentlich die Herren im Hause sind;"“ und schnell entschlossen
ergriff er die Gelegenheit, der Mann zu sein, der die Krisis beschwor. Er
holte sich nun Scheidemann beiseite und redete eine Viertelstunde auf ihn
ein. Dann bat er ums Wort und hielt eine schwungvolle Rede: Es würde
eine Blamage für das ganze Kabinett sein, wenn es zu seiner Rücken-
deckung der erzwungenen Zustimmung der Obersten Heeresleitung bedürfte.
Scheidemann sekundierte. Das Kabinett war gewonnen und faßte eine
Entschließung: Die Oberste Heeresleitung solle erklären, sie sei kein politi-
scher Machtfaktor. Haeften skürzte ans Telephon und erreichte, daß der
General Ludendorff die nachstehende Erklärung! sich zu eigen machte:
„1. Die Oberste Heeresleitung hält sich für keinen politischen Machtfaktor,
sie trägt daher auch keine politische Verantwortung. Ihre politische Zustimmung
zu der Note ist daher auch nicht erforderlich.
Wird in der Offentlichkeit — sei es im Reichstage oder in der Presse — nach
der Stellungnahme der Obersten Heeresleitung gefragt, so kann von seiten der
Regierung eine Erklärung in obenstehendem Sinne abgegeben werden.
2. Die Oberste Heeresleicung wird sich in der Angelegenheit gegenüber der
ARegierung durchaus loyal verhalten; sie wird alles vermeiden, was geeignet
wäre, der Regierung Schwierigkeiten in der Vertretung der Note gegenüber
der Offentlichkeit zu machen.
3. Die von der Reichsleitung gewünschte Erklärung, daß die Oberste Heeres-
leitung zwar auf ihrem militärischen Standpunkte beharre, jedoch anerkenne,
daß zur Erreichung des politischen Erfolges der Note die Konzession bezüglich
1 Amtliche Urkunden Nr. 66 b.
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