Full text: Prinz Max von Baden. Erinnerungen und Dokumente.

uns zu diesem verzweifelten Schritt drängen. Im preußischen Staats- 
ministerium war es Hergt, der der „brutalen“ Lösung widersprach. Auch 
ich hatte schwere Bedenken.: Aberdies — wer hatte es in der Hand, den 
Siegeszug des Bolschewismus an unserer Landesgrenze zum Stehen zu 
bringen? Ausschlaggebend wurde das ablehnende Gutachten des General= 
gouvernements: Herr v. Beseler bielt es für wahrscheinlich, daß die Flam- 
men nach Deutschland überschlagen würden. Auch tauchte in diesen Wochen 
der Gedanke einer deutsch-polnischen Militärkonvention auf, der in der 
gemeinsamen östlichen Gefahr eine ernsthafte Grundlage hatte: der pol- 
nische Generalstab war mit einer bestimmten Anregung an uns heran- 
getreten. Aber er war offenbar ohne Fühlung mit der öffentlichen Mei- 
nung, die von den Nationaldemokraten beherrscht wurde. Seit dem 
5. Oktober lenkte die Entente die polnischen Parteien. 
Bei dem Kongreß der slawischen Völker, der in Paris stattfand, waren 
nur die galizischen Polen eingeladen, die „Warschauer“ waren ausge- 
schlossen zur Strafe für ihre Zusammenarbeit mit den Deutschen. Nun 
galt es, sich zu rehabilitieren: die Frechheit der polnischen PDresse wuchs 
mit jeder neuen Note Wilsons. 
Es stand zu erwarten, daß Korfanty und Seyda im Reichs. 
tag alles tun würden, um der Entente auch ihre Bündnisfähig- 
keit nachzuweisen. 
Durch Schaden klug geworden, besprach ich meine Rede nicht im Ka- 
binett. Ich setze sie hierher, wie ich sie am 22. Oktober gehalten habe: 
„Meine Herren, seitdem ich zum ersten Male zu Ihnen sprach, sind in 
Verfolgung der Friedensaktion, die die Regierung bei ihrem Amts- 
antritt eingeleitet hat, weitere Schritte von beiden Seiten getan. 
„Zunächst kam Präsident Wilsons Gegenfrage. Insere unzweideutige 
bejahende Antwort hat zu einer erneuten Anfrage des Dräsidenten 
geführt. Ansere Antwort hierauf ist gestern veröffentlicht worden. 
„Meine Herren, das ganze deutsche Volk wartet darauf, zu hören, 
welche Aussichten die Regierung für das Gelingen des Friedenswerkes 
zu sehen glaubt. Sie werden verstehen, daß ich mich hierüber nur mit 
der größten Zurückhaltung äußern kann. Ich weiß, daß auch die Parteien 
den Wunsch haben, die Debatte möge sich eine dem Ernst der Stunde 
entsprechende Beschränkung auferlegen. Das deutsche Volk ist vom 
1 Ich habe die planmäßige Infizierung feindlicher Länder mit revolutionären 
Giften immer aus Gründen der politischen Reinlichkeit als eine höchst bedenkliche 
Maßnahme angesehen und besonders den Transport Lenins im plombierten Wagen 
nach Rußland mißbilligt. 
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