Full text: Prinz Max von Baden. Erinnerungen und Dokumente.

lahmlegen würde. Aber wenn wir eingesehen haben, daß der Sinn 
dieses furchtbaren Krieges vor allem der Sieg der Rechtsidee ist, und 
wenn wir uns dieser Idee nicht widerstrebend unterwerfen, nicht mit 
inneren Vorbehalten, sondern mit aller Freiwilligkeit, so finden wir 
darin ein Heilmittel für die Wunden der Gegenwart und eine Aufgabe 
für die Kräfte der Zukunft. An dieser Aufgabe wird das deutsche Volk 
mit allem sachlichen Ernst und aller Gewissenhaftigkeit mitarbeiten, die 
unser Erbteil sind. 
„Meine Herren, wir brauchen bloß auf die Zeit vor zwei Generationen 
zurückzugreifen, um alle notwendigen moralischen Triebfedern für die 
neue Entwicklung vorzufinden. Sind aber einmal diese Menschheits- 
ziele unser, so wird uns die Zusammenarbeit der Nationen zu der großen 
befreienden Aufgabe. Ich möchte hier meine Worte zitieren dürfen, 
die ich am 15. Februar sagte: 
„Der bloße Daseinskampf, wenn er allein steht, läßt große menschliche Kraft- 
quellen unerschlossen. Wir müssen das Glück und das Recht anderer Völker in 
unseren nationalen Willen aufnehmen.“ 
„Wenn ich heute in dieser schweren Stunde unserem Volke die 
Völkerbundsgedanken als eine Quelle des Trostes und neuer Kraft 
vor Augen stelle, so will ich keinen Augenblick darüber hinwegtäuschen, 
welche gewaltigen Widerstände noch zu überwinden sind, ehe der Ge. 
danke Wirklichkeit werden kann. Kein Mensch kann sagen, ob das rasch 
oder langsam geschehen wird. 
„Mögen uns die nächsten Tage oder Wochen zu weiterem Kampfe 
aufrufen oder mag sich der Weg zum Frieden öffnen: darüber kann kein 
Zweifel sein, daß wir den Aufgaben des Krieges oder des Friedens 
nur gewachsen sein werden durch die Durchführung des Regierungs- 
programms und die entschiedene Abkehr vom alten System. 
„Damit aber, meine Herren, bin ich zu den Fragen der inneren 
Politik gekommen, über die ich der deutschen Volksvertretung Rechen- 
schaft schuldig bin. Meine Herren, ich habe Ihnen schon am 5. Oktober 
die allgemeinen Grundsätze dargelegt, nach denen ich mein Amt als 
Kanzler zu führen gedachte, und mich dabei mit dem Drogramm der 
Mehrheitsparteien auseinandergesetzt, deren Vertrauen meinen Eintritt 
in dies Amt gestattete. Durch diese Grundsätze geleitet, habe ich mit 
meinen Mitarbeitern die Schritte getan, die im Innern Deutschlands 
freiheitliche Zustände herbeiführen sollen und über die ich nun zu berich- 
ten habe. 
1 Siehe oben S. 219. Das Zitat ist nicht wortgetreu übernommen. 
Prinz Max von Baden 31 481
	        
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