„Die Reform des Wahlrechts in Preußen ist durch ein dankens.
wertes Entgegenkommen der Parteien auf die Vorschläge der Re-
gierung so weit gefördert worden, daß die Einführung des allgemeinen,
gleichen, direkten und geheimen Wahlrechts dort gesichert ist.
„Dem Reichstag liegen zwei Gesetzentwürfe vor, die unsere neue
Regierungsweise von den verfassungsmäßigen Schranken befreien sollen,
die ihr noch im Wege stehen.
„Der erste Entwurf will für die Mitglieder dieses hohen Hauses
die Möglichkeit schaffen, in die Reichsleitung einzutreten, ohne ihr
Reichstagsmandat zu verlieren. Das ist unerläßlich, wenn die Ver-
bindung zwischen dem Darlament und den obersten Reichsbehörden
so fest bleiben soll, wie die gemeinsame Arbeit und das gegenseitige
Vertrauen es erfordern.
„Der Entwurf schlägt ferner eine Anderung des Gesetzes über die
Stellvertretung des Reichskanzlers vor. Bisher konnten nur die Leiter
der obersten Reichsbehörden Stellvertreter des Reichskanzlers werden,
in Zukunft sollen sich Reichstagsabgeordnete an der Leitung der Reichs-
politik beteiligen und namens des Reichskanzlers Rede stehen können,
ohne zugleich ein Ressort übernommen zu haben. Damit ist ein neuer
Weg geöffnet, um zur verantwortlichen Leitung der Reichsgeschäfte
zu gelangen: der parlamentarische Weg. Wir sind überzeugt, daß er
sich als ein Zubringer wertvoller, bisher brachliegender Volkskräfte
nicht nur für die Regierung, sondern mittelbar auch für das Parlament
erweisen wird. Der Aufstieg der geborenen Führer aus anderen freien
Berufen wird dadurch nicht versperrt.
„Im Zusammenhang hiermit stehen die Vorarbeiten für den recht-
lichen Ausbau der politischen Verantwortlichkeit des Reichskanzlers,
die durch die Einsetzung eines Staatsgerichtshofes zu sichern wäre.
Man könnte zwar bezweifeln, ob es zur Bekräftigung der Verantwort-
lichkeit des Reichskanzlers noch eines Staatsgerichtshofes bedarf, da
kein Kanzler oder Staatssekretär im Amt bleiben kann, wenn er das
Vertrauen der Mehrheit dieses Hauses verloren hat. Ich halte es aber
doch für nützlich, wenn die politische Neugestaltung der deutschen Re-
gierungsform auch durch eine solche neue Einrichtung des öffentlichen
Rechts bekräftigt und verbürgt wird, und ich hoffe deshalb, dem
Reichstag das Ergebnis der Vorarbeiten bald vorlegen zu können.
„Das neue System der Reichsregierung hat eine neue Regierungs-
weise in den Reichslanden zur natürlichen Folge gehabt. Die Statt-
halterschaft Elsaß-Lothringens hat ein Elsässer übernommen, ein Elsässer
ist sein Staatssekretär geworden. In die Landesregierung sollen weitere
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