Full text: Prinz Max von Baden. Erinnerungen und Dokumente.

führende Männer aus der Zweiten Kammer des Landtags eintreten. 
Ich nehme an, daß der neue Herr Statthalter mit den Parteiführern 
ein Programm für seine Regierung aufstellen und es öffentlich darlegen 
wird. 
„Meine Herren, der zweite Entwurf, der die Anderung des Artikels 11 
der Reichsverfassung bezweckt, enthält die zwingende Festlegung für 
den Grundgedanken der neuen Regierungsart. Er will, daß der Reichs. 
tag als die berufene Volksvertretung bei der Entscheidung über die 
wichtigsten Lebensfragen der ganzen Nation, bei den Fragen von 
Krieg und Frieden ein volles Mitbestimmungsrecht hat. Darin liegt 
eine Gewähr für die friedliche Weiterentwicklung des Reichs und seiner 
Beziehungen zu den anderen Mächten. Die Bürgschaft könnte verstärkt 
werden, wenn auch die Bündnisverträge der neuen Bestimmung unter- 
worfen würden. Auch zu einer solchen Erweiterung der Volksrechte 
wird die Reichsregierung gerne die Hand bieten, wenn der Völkerbund 
praktische Gestalt gewinnt. Solange darüber noch kein Welterecht besteht, 
würde Deutschland durch eine einseitige innere Bindung in Nachteil ge- 
raten; hat aber der Völkerbund alle geheimen Sonderbündnisse und 
vertraulichen Abreden beseitigt, so wird der Artikel 11 auch in dieser 
Richtung ausgebaut werden können. 
„Der Kriegszustand hat in allen Ländern drückende Einschränkungen 
der staatsbürgerlichen Freiheit zur Folge gehabt. Ihre volle Wieder- 
herstellung wird uns der Friede bringen. Die außerordentlichen Voll- 
machten der Kriegszeit sind noch nicht entbehrlich; sie können aber jetzt 
nur noch im Einverständnis mit dem Reichskanzler ausgeübt werden, 
der für die Ausführung dem Reichstag verantwortlich ist. Unbillige 
Härten sollen dadurch vermieden werden. 
„Die Anordnungen Seiner Mojestät des Kaisers, die ich am 5. Ok- 
tober angekündigt habe, sind inzwischen ergangen und umfassen nicht 
allein die Maßnahmen auf dem Gebiete der Zensur, des Vereins- und 
Versammlungswesens und der Beschränkung der persönlichen Freiheit, 
sondern sie erstrecken sich auf die gesamte Tätigkeit der vollziehenden 
Gewalt auch im Arbeitsgebiet der Wirtschafts-- und Sozialpolitik. 
Einigen sich hier die lokalen Militärbefehlshaber nicht mit den Ver- 
waltungsbehörden, so ist unverzüglich die Entscheidung des Ober- 
militärbefehlshabers einzuholen, und dieser kann keine Entscheidung oder 
Anordnung treffen, der ich nicht selbst oder durch meinen Vertreter 
zugestimmt habe. Mein Vertreter ist der Staatssekretär Gröber. Da 
der Oberbefehlshaber außerdem die Befugnis erlangt hat, mit meiner 
Zustimmung allgemeine Grundsätze festzulegen, so ist dafür gesorgt, 
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