Full text: Prinz Max von Baden. Erinnerungen und Dokumente.

Wer diese Sprache dem Feinde gegenüber wagte, der hielt seine Kraft 
für gebrochen. Und das schlimmste war — ich mußte mir sagen, unser Volk 
ist so weit gebrochen, daß es aus der „demütigenden“, „überfordernden“ 
Note noch nicht den Antrieb zum letzten Kampf erhält. Noch durfte ich 
nicht meinem Gefühl folgen und dem böswilligen Verzögerer des Friedens 
sein Mandat vor die Füße werfen. Gewiß — ich konnte darauf bestehen, 
jezt Schluß zu machen — dann brach das Kabinett auseinander. Ent- 
weder ich ging und demonstrierte für die nationale Verteidigung, anstatt 
sie durchzuführen — oder aber die Sozialdemokraten traten aus der 
Regierung aus — dann war die Grundlage für die nationale Erhebung 
erst recht zerstört. Wohl würden die Massen aufstehen; aber nicht gegen 
den Feind, sondern gegen den Krieg und gegen die „militärischen Be- 
berrscher“ und „monarchischen Autokraten“, zu deren Schug er ihrer 
Meinung nach geführt würde. 
Die Worte Wilsons waren klug berechnet; sie sollten — und sie wür- 
den — dem deutschen Volke sagen: Wir verlangen nicht eure Kapitulation; 
ihr könnt gleich in Friedensverhandlungen eintreten, wenn ihr euch von 
euren bisherigen Herren unabhängig macht. 
War diese Zusage ehrlich gemeint oder eine Kriegslist? Noch wollte 
unser Volk den Glauben an den Retter nicht fahren lassen und an den 
Rechtsfrieden, den er verhieß. Wilsons Ehrlichkeit war nur auf eine 
1 Die gleiche Sorge sprach aus einem Brief, den Herr v. Batocki am 24. Ok- 
tober an Exzellenz Wahnschaffe richtete: „Das deutsche Volk ist willig und treu, 
aber einschließlich des Heeres absolut friedenssehnsüchtig. Nur bei offensicht- 
licher Unmöglichkeit, zu einem Frieden zu gelangen, wird es sich noch einmal 
zum Verzweiflungskampf aufraffen. Sieht es jetzt gemeinverständlich, klar und 
ohne Hörner und Zähne den Friedensentschluß seiner Regierung bis zum äußersten, 
so wird es ihr auch folgen in der inmerlich kritischen Zeit, die bevorsteht. Wenn 
nicht, kommt das Verderben unweigerlich über uns.“ 
* Wie sehr auch die Oberste Heeresleitung noch am 23. Oktober eine bona fides 
Wilsons in Rechnung stellte, zeigen die folgenden Instruktionen für die Waffen- 
stillstandskommission: „Anweisung für die Waffenstillstandskommission“, nach An- 
gabe der Amtlichen Arkunden (Nr. 76 a) von Hindenburg und Ludendorff am 23. Ok- 
tober gezeichnet. „ODie militärische Lage ist derart, daß die Kräfte des Feldheeres zu 
einem sicheren Halten der Stellung nicht mehr ausreichen .. In Erkenmtnis dieser 
Lage ist das Friedensangebot gemacht. Trotzdem mühssen wir selbstverständlich stets 
zur Wiederaufnahme des Kampfes bereit sein, für den Fall, daß uns Bedingungen 
gestellt werden sollten, die unsere Zukunft zerstören. Solche Bedingungen liegen wahr- 
scheinlich nicht in der Absicht des Präsidenten Wilson. Eher ist von Fran reich oder 
England zu erwarten, daß diese Staaten den Krieg zur Durchsetzung unerfüllbarer Be- 
dingungen fortsetzen. Es ist danm nicht ausgeschlossen, daß die Vereinigten Staaten 
sich einer Weiterführung des Krieges enkhalten ...Wir haben aber alles Interesse an 
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