zu beseitigen. Mein Gewährsmann glaubt, daß eine solche Tat es Wilson er-
leichtern würde, zugunsten seiner Friedenspläne auf den Senat zu wirken, der
neuerdings Einfluß im Sinne einer gänzlichen Niederwerfung Deutschlands ge-
winnt. Gleichzeitig würde sie die Friedensstimmung in den übrigen Ententestaaten
stärken. Dadurch würde die Erhaltung der Dynastie gesichert, die ebenso wie
letzten Endes alle deutschen Dynastien gefährdet wäre, wenn — wofür die Entente
zweifellos sorgen würde — der Glaube erweckt werden könnte, daß an der Person
des Kaisers der Frieden gescheitert sei.
Im übrigen ist meinem Gewährsmann zufolge den Amerikanern die Schwäche
unserer militärischen Lage zu bekannt, um bei ihnen Üüber den endgültigen Sieg
der Entente auch im Falle Aufrufs zu nationaler Berteidigung Zweifel auf-
kommen zu lassen. Unser Zusammenbruch sei nur eine Frage der Zeit. Ein Versuch,
den Endkampf hinauszuziehen, würde nur als erneuter Beweis des Vorwiegens
militärischer Einflüsse angesehen werden und den Verdacht nähren, daß auf unsere
ganze innerpolitische Wandlung kein Verlaß sei.
Bei der ungeheuren Tragweite der zu fassenden Entschließungen halte ich es,
so schwer mir dies fällt, für meine Oflicht, Dir persönlich diese Mitteilung zu
machen, deren Urbeber wegen seiner Persönlichkelt und seiner Beziehungen durch-
aus ernst zu nehmen ist.
Ernst Hohenlohe.“
Die Beeinflussung durch die Schweizer Stimmung war unverkennbar;
aber aus Bayern kam die gleiche Botschaft. Der preußische Gesandte
v. Treutler kelegraphierte aus München:
„225. Oktober 1918.1
Für den Herrn Reichskanzler. Geheim.
Ich erfülle eine schwere Dflicht, wenn ich Eurer Großherzoglichen Hoheit,
melde, daß hier in Bayern von berufener Seite die gestern abend bekanntgegebene
Antwort Wilsons so gedeutet wird, daß sie sich in ihrem letzten Abschnitt direkt
gegen die Person unseres Kaisers kehrt. Der Ministerpräsident und der Kriegs-
minister sind der Ansicht, der Wortlaut der Note lasse andere Deutung nicht zu;
durch die verhüllte Ausdrucksweise solle lediglich Gelegenheit gegeben werden, den
schmerzlichen Schritt freiwillig zu tun. In jedem Falle treten die Genannten dafür
ein, daß Seiner Majestät offen dargelegt werden müsse, daß die Feinde keinen
annehmbaren Frieden bewilligen würden, wenn das große Opfer nicht gebracht
würde. Wenn dann Seine Majestät Verzicht leistet auf die Kaiserwürde, so
würde er nur im Geiste seines sechsund zwanzigjährigen Friedenswerkes handeln
und dieses krönen. Seine Gestalt würde als die des hochherzigsten, edelsten und
aufopferndsten Wohltäters des deutschen Volkes in der Geschichte weiterleben.
Graf Lerchenfeld erhält entsprechende Instruktion.
Treutler.“
An heutigen Tage war auch die Zurückhaltung durchbrochen worden,
die sich bisher die deutsche Dresse dem Kaiser gegenüber auferlegt hatte:
1 Amtliche Arkunden Nr. 77.
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