die „Frankfurter Zeitung“ forderte die Abdankung des Kaisers und den
Thronverzicht des Kronprinzen, um die demokratischen Garantien zu
schaffen, die Wilson verlangte und die ihn befriedigen würden.
Ich habe auch an diesem Tage noch die Augen verschlossen vor den
Zeichen, die sich häuften, und die mir alle hätten sagen sollen: Wilson
wirft planmäßig die Abdankungsfrage in die deutsche Offentlichkeit. Ich
klammerte mich an die günstigen Nachrichten aus dem Haag und wollte
die Hoffnung nicht aufgeben, das Volk werde sich zurückhalten lassen, von
sich aus die Abdankung zu verlangen.
So entschloß ich mich, mein Schreiben an den Kaiser fertigzustellen, ohne
die Abdankungsfrage zu berühren. Allerdings hielt ich es für meine Dflicht,
als spät am Abend der Chef des Zivilkabinetts kam, um meinen Brief
abzuholen, ihm die Depesche des Fürsten Hohenlohe und, wie ich glaube,
auch die des Gesandten v. Treutler mitzugeben. Er sollte sie in meinem Auf.
trag dem Kaiser vorlegen, aber keinen Kommentar daran knüpfen.
Am Morgen des 26. saßen Payer, Solf und Roedern an meinem Bett;
Dayer berichtete mir über die Abendbesprechung mit den beiden Heer-
führern, der auch Scheer und Scheüch beigewohnt hatten. Die Oberste
Heeresleitung hatte daran festgehalten, man dürfe nicht weiter verhan-
deln. „Dem Kerl werden wir doch nicht antworten.“ AUnser Heer stehe
unbesiegt auf feindlichem Boden und dürfe nicht kapitulieren. Auf die
Frage, welche Chancen wir bei einer Fortsetzung des Krieges hätten, wäre
keine direkte Antwort gegeben worden. Es folgte gerade wie am 17. Ok.
tober die Schilderung einer Reihe von günstigen Umständen:
Der Feind litte unter Kohlennot und seine Kampfkraft ließe nach;
die Heeresgruppe Rupprecht habe soeben 7 Kilometer Front gehalten,
die Heeresgruppe Kronprinz 10 Kilometer;
der Gegensatz Clemenceau-Foch sei deutlich. Clemenceau erhebe schärfere
Forderungen als Foch, der unsere Widerstandskraft höher einschätze;
ein französisches Arteil aus den letzten Tagen besage: die deutschen
Truppen bielten sich sehr gut, aber in Frankreich sei es in vier Wochen
zu Ende, wenn es so weiter ginge;
die Möglichkeit innerer Anruhen in Frankreich wurde gestreift.
Darauf habe Payer auf die Stimmung unseres Volkes, die Ernäh-
rungslage und den drohenden Zusammenbruch Osterreichs hingewiesen,
„der für uns verhängnisvolle Konsequenzen haben könne". Ludendorff
forderte von Payer, er solle sich festlegen: wenn wir ein sehr ungünstiges
Waffenstillstandsangebot erhielten, würde die Regierung eine Erhebung
des Volkes in die Wege leiten. Payer lehnte diese Bindung ab und ver-
langte, daß vor einer Entscheidung noch andere Heerführer gehört werden
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