vorstehenden wiedergab, von einem Mann stammen, der nicht aus
Feindschaft gegen uns die Lage in möglichst schwarzen Farben schildert,
sondern der sich anerkanntermaßen seit langer Zeit bemüht hat, bei
seinen Landsleuten für eine Verständigung mit uns zu wirken und
sich dafür manchen Unannehmlichkeiten und Anfeindungen ausgesetzt
hat, und weil ich glaubte, es Dir schuldig zu sein, das Gehörte zu Deiner
Kenntnis zu bringen. Ich tat es aber auch, weil das von dem Amerikaner
entrollte düstere Bild unserer militärischen Lage mir im großen und
ganzen zutreffend zu sein scheint; denn Herr v. Keller und Major
Oraudt sagten mir bei ihrer Rückkehr aus Berlin vor einigen Tagen,
sie hätten von maßgebenden militärischen Stellen erfahren, daß wir
infolge zunehmenden Mangels an Material usw. nur noch eine be-
grenzte Zahl von Monaten Krieg zu führen in der Lage wären. Dem-
nach müßte automatisch in einer ziemlich genau zu berechnenden Zeit
der völlige Zusammenbruch erfolgen, es sei denn — und ein anderes
Gegenargument konnte man ihnen in Berlin nicht nennen —, daß in
den paar vor uns liegenden Monaten ein Stimmungsumschwung bei
der Entente einträte. Ich weiß nicht, welche bestimmten Anhalts-
punkte man für die Hoffnung auf einen solchen Umschwung besitzt.
Bestehen aber solche wirklich greifbaren Anhaltspunkte nicht, so wäre
der Aufruf des letzten Aufgebots zum Endkampf doch wohl eine Art
von Hasardspiel, und wenn die erhoffte Trumpfkarte ausbleibt, so
führt das Spiel zum Zusammenbruch, der, wie ich befürchte — viel.
leicht nach einem letzten Aufflammen der Begeisterung —, bei der in
Deutschland herrschenden Stimmung rascher kommen kann, als man
erwarten möchte. Der zermürbende Einfluß der Kriegsnot und der
jahrelangen Entbehrungen läßt sich nicht verkennen. Aus Süddeutsch-
land vernimmt man teilweise recht betrübende Außerungen der Miß-
stimmung. Du bist darüber besser unterrichtet als ich.
„Die nationale Ehre ist nach meinem Gefühl durch einen mehr als
vierjährigen heldenhaften Kampf gegen eine Welt glänzend gewahrt
worden. Jetzt stehen wir da, aus tausend Wunden blutend, verlassen
von unseren Bundesgenossen, bedrängt von Feinden, deren Abermacht
stetig wächst. Kein Mensch kann uns dereinst einen Vorwurf machen,
wenn wir nicht unsere letzte Kraft in aussichtslosem Kampfe opfern,
sondern unsere Zukunft zu retten suchen. Ich glaube fest an eine Zu-
kunft des Deutschtums; denn die Welt braucht unsere Art und unser
Wesen und, wie Du in Deiner so schönen Rede betont hast, aus der
größten Not ist das deutsche Volk immer am großartigsten der Er-
neuerung entgegengegangen. Wenn unser Kaiser jetzt um der Zukunft
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