Glauben Sie, daß dann noch ihre Völter auf der Fortsetzung des Krieges be-
harren werden?
Die Antwort lautete mit aller Bestimmtheit: Nein.
Die Unterredung schloß mit einem Appell:
„For GCod's sake, do something to make Wilson strong against the
Entente militarists, who are in power in France and England.“ 1
Mit dem amerikanischen Chauvinismus würde er mühelos fertig werden nach der
Abdankung des Kaisers und des Kronprinzen..
Die Erkundung im Norden hatte feststellen sollen: wird die Abdankung
des Kaisers die Bedingungen des Waffenstillstands mildern können? Die
Aufklärung, die ich erhielt, ließ nur eine Deutung zu: die Bedingungen stehen
fest in all ihrer Härte; nur wenn wir den Willen zum Verzweiflungskampf
aufbringen, ist auf Revision zu rechnen. Wir werden aber nicht zum letzten
Kampf fähig sein, wenn Kaiser und Kronprinz nicht verzichten. Sollte
andererseits nach der Abdankung die Fortsetzung des Krieges gegen
ein zum Außersten entschlossenes Deutschland erzwungen werden, so würde
dieser Krieg für den Feind entscheidend erschwert, wenn nicht unmöglich
werden, denn seine wirksamste Parole wäre ihm zerbrochen.
Da wurde ich mit Schrecken inne, welcher Fehler es gestern war, nicht
um jeden Preis das Verbleiben des Kaisers in Berlin zu erzwingen —
sollte die geringste Heilkraft von der Abdankung ausgehen, so mußte sie
so früh und in solcher Form erfolgen, daß Gefühle der Dankbarkeit sich
regten. Mit der „großen Geste“ war es schon vorbei seit Scheidemanns
Brief. Aber noch war der Schein der Freiwilligkeit zu wahren. Meine Mit.
arbeiter schwankten, nur Solf sah die Situation so scharf wie Graf Rantau.
Die Mehrzahl hoffte, den Thronverzicht vermeiden zu können. Die Un-
schlüssigkeit des Kabinetts gab dem Kaiser noch einmal Gelegenheit, zu
zeigen, daß er die nationale Notwendigkeit besser erkannte als die parla-
mentarische Regierung. Aber wir hatten höchstens noch einen Spielraum
von Tagen. Ich versuchte meine verhängnisvolle Unterlassung durch das
folgende Telegramm wieder gutzumachen:
„Verlin, den 30. Oktober 1918.
„Die Offentlichkeit ist beunruhigt durch Gerüchte über die Absicht
eines militärischen Rückschlages gegen die volkstümliche Regierungs.
form.
„Eurer Majestät Reise ins Hauptquartier, die bald bekannt werden
wird, wird, wie ich fürchten muß, diesen Gerüchten neue Nahrung
1 „Tun Sie um Gottes willen etwas, um Wilson stark zu machen gegen die En-
tente-Militaristen, die in Frankreich und England an der Macht sind.“
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