Wert darauf, den preußischen Minister des Innern Drews zu hören, der
die beste Tradition des preußischen Beamtentums verkörperte.
Ich begann die Besprechung mit einer kurzen Wiedergabe der Aus-
landsnachrichten, die über den Gegensatz Wilson-Goch vorlagen. Die
Lage Wilsons würde durch die Thronentsagung des Kaisers und den
Thronverzicht des Kronprinzen erleichtert werden.
„Sowieso werden wir sehr schwere Bedingungen bekommen. Wir
sind in der Lage, uns gegen sie aufzubäumen. Die Frage ist aber:
würde das deutsche Volk, das zum großen Teile Seine Mojestät dafür
verantwortlich machen würde, daß die Bedingungen so schwer sind
(das ist die Folge der Propaganda des Auslandes und der Fassung
der Wilson-Noten), diesen Auftrieb mitmachen und weiterkämpfen, weil
die Bedingungen zu schwer sind, oder würde es sagen: Wir wollen nicht
kämpfen, weil der Kaiser schuld ist? Würde da nicht die Forderung ent-
stehen, daß Seine Majestät abdanken solle, um uns die Bedingungen
zu erleichtern und um uns den Mechtsfrieden zu sichern?
„Oas ist die große Frage, die vor uns steht.
„Hätte der Kaiser vor vierzehn Tagen abgedankt, so könnten wir jetzt
kämpfen. Die Abdankung kann nur unter dem Gesichtspunkt betrachtet
werden, daß sie freiwillig geschieht. Damit wäre nach meiner Dber-
zeugung die Dynastie gesichert. Weicht Seine Majestät einem ODruck,
so kann man nicht wissen, ob nicht die Bewegung über seinen Entschluß
binausgeht.
„Gegen die Abdankung bestehen schwerwiegende Gründe. Millionen
von Deutschen werden die Abdankung nicht verstehen, sogar innerhalb
der Gewerkschaften sind die Meinungen sehr geteilt. Einzelne Führer
haben gesagt, die Abdankung würde in den Gewerkschaften wie eine
Sprengbombe wirken. Unsere Entschlüsse dürfen nicht vom Herzen
eingegeben, sondern nur vom Verstande diktiert sein. Ich brauche Ihnen
nicht zu sagen, was das für mich bedeutet, daß ich diese Frage überhaupt
berühren muß.“
Dann sprach Drews, wie ein Mann, der unter dem Zwang des Ge-
wissens handelt; manchmal versagte ihm fast die Stimme:
„Es ist nicht zu verkennen, daß die Bewegung für die Abdankung
Seiner Majestät in weiten Kreisen des Volkes tagtäglich zunimmt;
nicht nur in Arbeiterkreisen, sondern auch in Kreisen des Bürgertums.
Man hält Kaiser und Kronprinz für Friedenshindernisse. Die alte
Sozialdemokratie wird zweifellos jetzt die Forderung aufstellen, der
Prinz Max von Baden 35 543