Tagen vor einem Aufruf mit den Parteiführern sprechen, namentlich
mit Scheidemann.“
„Aber könnte auch der Aufruf im Volk nur Wirkung haben nach
Beseitigung des Hindernisses, so frage ich dagegen: Wie wirkt die Ab-
dankung auf das Heer? Die Generale, die alten Offiziere denken nicht
allein an das Vaterland, an die materielle Wohlfahrt des Volkes,
sondern auch an das, was sie beschworen haben, nämlich die Treue gegen
ihren Kaiser. Nehme ich ihnen das weg, so nehme ich ihnen, was sie
vornehmlich befähigt, weiter standzuhalten. Ich würde daher in einem
solchen Vorgehen eine schwere Gefahr erblicken und muß dringend ab-
raten, jetzt nach dieser Richtung Schritte zu tun.“
Ich erwiderte dem Kriegsminister, daß die Wirkung auf das Heer schlimm
sein würde, wenn der Rücktritt unter einem Druck erfolgte, nicht aber,
wenn es sich um einen freiwilligen Rücktritt handelte.
Scheüch wollte der Regierung eine Mitschuld an der Ausbreitung des
ARücktrittgedankens beimessen.
„Weshalb haben wir keine Gegenwirkung in der DPresse? Man läßt
das Volk glauben, daß die Regierung derselben Ansicht wäre wie die
Dresse, die die öffentliche Meinung macht. Wir lassen uns von ihr
treiben und führen sie nicht. Das ist nicht das einzige Gebiet, wo das
geschieht, sondern es gibt viele andere. Wir regieren nicht, sondern
werden regiert. Wir fragen jeden Abend: Werden die Parteien das
gutheißen, was wir tun oder nicht? Das Demagogische bekommt sofort
die Oberhand, wenn nicht mit einer Gegenwirkung eingesetzt wird."
Minister Drews machte darauf aufmerksam, daß weit gefährlicher als
die Zitate in den Zeitungen das Gerede von Mund zu Mund sei. Die Presse
sei nur das Spiegelbild der öffentlichen Meinung.
„Ich gebe zu, die Wirkung auf das Ausland ist sehr zweifelhaft.
Ich gebe zu: Die Abdankungwirdnichtgutauf das Heerwirken,
obwohlman da viel durch die Art der Abdankung an Schaden
verhüten kann. Aber ich richte meine Augen auf das Inland. Wenn
die Arbeiterschaft und weite Kreise der Bürgerschaft die
Person des Kaisers als Friedenshindernis ansehen, so halte
ich die weitere Verteidigungnicht für möglich. Wir können die
Verteidigung nicht mit dem Heer allein führen; geht das Volk nicht mit,
so treiben wir Zuständen entgegen wie in Rußland und Osterreich, Auch
da hat das Heer glänzend standgehalten, aber hinter der Front brach
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