dauert, desto stärker wird die Forderung hervortreten, daß man über-
haupt keine Monarchie mehr brauche, sondern eine Republik errichten
sollte.“
Friedberg sekundierte Scheüch: Die Armee würde einfach auseinander-
laufen.
Wahnschaffe orientierte uns über die Stimmung der Christlichen Ge-
werkschaften auf Grund von Informationen, die er Erzberger verdankte:
Die Führer Ambreit, Müller und Giesberts hätten erklärt, die Abdankung
des Kaisers würde in den Gewerkschaften wie ein Sprengmittel wirken.
Dort seien die Ansichten ganz geteilt. Erzberger stebe auf dem Standpunkt,
man solle abwarten und eine Gegenpropaganda für den Kaiser einleiten.
Auf meinen Wunsch berichtete Exzellenz Wahnschaffe noch über Auße-
rungen, die Ebert ihm gegenüber getan habe: Die allgemeine Auffassung
gehe dahin, daß der Kaiser nicht zu halten sei. Er, Ebert, tue alles, um
seine Partei zurückzuhalten, und versuche mit dem Argument zu bremsen,
es sei ein viel größeres Hindernis für einen guten Frieden, wenn die Partei
wegen der Kaiserfrage aus der Regierung herausgehe, als wenn der Kaiser
nicht abdanke. Er hoffe, die Parteipresse noch einige Tage zurückhalten zu
können.
Wahnschaffe fügte hinzu:
„Das hat sich nicht bewahrheitet. Den Eindruck, daß Ebert mir auf-
richtig die Wahrheit gesagt hat, habe ich gestern, wie überhaupt immer
bei dem Mann gehabt, er hat also seine PDresse nicht mehr in
der Hand.“ ·
Ich richtete an Friedberg die Frage:
„Wie denken Sie sich in diesem Augenblick eine Regierung des Reichs
ohne Sozialdemokraten?“
Friedberg antwortete: „Sie ist kaum möglich.“
Payer sprach von dem schweren Dilemma, in dem die Regierung sich
befände. Einerseits sei der monarchische Gedanke durch die Person des
Kaisers und des Kronprinzen in fast unerträglicher Weise belastet, anderer-
seits sei er auch schwer gefährdet, wenn ein Kind zur Regierung käme.
Ich faßte das Ergebnis der Sitzung folgendermaßen zusammen:
„Die Meinungen der Herren gehen auseinander. Alle Bedenken sind
geprüft. Fest steht für mich, daß eine Abdankung Seiner Majestät nur
möglich ist, wenn sie ganz freiwillig geschieht. Ich kann die Kabinetts-
frage nicht stellen, das ist für mich ausgeschlossen. Ich erwäge die Mög-
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