daß ein preußischer Prinz die Regentschaft übernähme, damit am Wesen
unserer Verfassung nichts geändert und die Stabilität verbürgt würde.
Auf die Frage nach der Stellung der Reichstagsmehrheit antwortete ich,
daß das Zentrum an sich glaube, warten zu können, bis die Bedingungen
der Feinde an uns herantreten, aber die Partei hätte sich doch nicht klar
geäußert, sondern zu erkennen gegeben, daß sie einem freiwilligen Ent-
schluß keinen Widerspruch entgegensetzen würde. Auch die Stellungnahme
der Freisinnigen sei nicht eindeutig, aber nach meinen Eindrücken würden
sie die Situation als nach innen und außen erleichtert ansehen, wenn der
Kaiser abdankte.
Einer der Bevollmächtigten schien zu bezweifeln, ob ich den Druck im
Innern genügend ernst nähme: in den letzten Tagen sei er im Wachsen und
Bezeichnend ist auch, daß von den Gegnern der Abdankung als stärkstes Argument
immer ins Treffen geführt wurde: „Wehe dem Golk, dessen König ein Kind ist.“
Ich zitiere die folgenden Worte des Grafen Westarp in der „Wochenschau“ vom
3. November 1918 (Westarp, a. a. O., S. 90): „Die von der Sozialdemokratie ge-
forderte Abdankung Seiner Majestät des Kaisers würde nach unserer Auffassung in
unaufhaltbarer Folge zum Ende der Hohenzollerndynastie und der Einigkeit des
Deutschen Reiches führen. Man muß sich dabei zunächst vergegenwärtigen, daß die
Sozialdemokratie und andere Kreise, die in dieser Frage ihr zur Seite treten, auch an
die Abdankung des Kronprinzen denken, der weder dem Präsidenten Wilson und
unseren anderen Feinden, noch unserer Demokratie genehmer sein würde als der Kaiser.
VWas allein in Frage kommt und gefordert wird, ist die Abdankung
zugunsten des minderjährigen Enkels und eine Regentschaft. Diese
wäre nach der Berfassung im Reiche wie in Preußen von dem nächsten großjährigen
zur Chronfolge berechtigten Prinzen des königlichen Hauses, also dem Prinzen
Eitel Friedrich zu führen. Lesen wir einmal wieder nach, was Friedrich der
Große in seinem politischen Testament über eine Regentschaft sagt ... Daß die
Entente mit ungeheuren Mitteln daran arbeitet, durch Schürung partikularistischer
Strömungen den Bestand des Reiches zu zersetzen, geht aus vielen Ereignissen der
letzten Zeit hervor. Nun kann kein Zweifel bestehen, daß bei richtiger Auslegung der
Verfassung die Regentschaft im Reiche ohne weiteres dem Regenten der Krone
Dreußens zusteht. Wer aber wollte dafür bürgen, daß unter den heutigen Verhält-
nissen die zutreffende Auslegung der Verfassung sich durchsetzt und nicht ohne weiteres
über den Haufen geworfen wird, wenn es den politischen Mächten genehm ist, die
jetzt an der Herrschaft sind? Darum ist es nicht anders: Wer die Abdankung des
Kaisers fordert, der muß sich vollkommen klar darüber sein, daß er auch das Herr-
scherhaus, die monarchische Staatsform und die Einigkeit des Deutschen Reiches aufs
schwerste gefährdet.“ (Sperrungen von mir.) Da sich hier Graf Westarp so ausführ-
lich mit den Einzelheiten einer Nachfolge des Kaisers beschäftigt und die herrschende
Meinung der Demokraten erwähnt, daß die Nachfolge des Kronprinzen untragbar
sei, so hätte er naturgemäß an dieser Stelle gegen diese Auffassung heftigen Proteft
einlegen und die Thronbesteigung des Kronprinzen fordern müssen, wenn er sie in
der damaligen Situation noch für möglich gehalten hätte.
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