Full text: Prinz Max von Baden. Erinnerungen und Dokumente.

Angebot in der Schuldfrage fertigte er mit der allgemeinen Wendung ab: 
„Wir scheuen kein Tribunal.“ 
Mit der Greyschen Rede hat der Kampf der Friedens- und Kriegspartei 
einen Höhepunkt erreicht. Die öffentliche Kraftprobe zu forcieren, ist jeht 
im Bereich unserer Dolitik. Wie würde sie ausgehen? Die Zentralstelle 
glaubt an den Sieg von Lloyd George: noch sei genügend Kriegsleiden- 
schaft im Lande, um ein Knock-out-Ministerium zu gründen. Aber eine 
konservativ gerichtete, von Llopd George geführte Regierung würde — 
das ist die Meinung — einmal England in eine moralische Isolierung binein- 
treiben, die für seine Weltstellung unerträglich wäre, vor allem aber die 
inneren Schwierigkeiten nicht meistern können, zumal, wenn sie durch eine 
Friedenskrisis verschärft würden. 
„Unter Lloyd George treibt England entweder in die Niederlage hinein 
oder kommt zur Vernunft.“ So lautet die Voraussage. Allerdings wird 
sie an eine Bedingung geknüpft: Deutschland darf England nicht 
den gewaltigen Bundesgenossen Amerika zuführen. 
Der Kolonialminister Solf ist in nahe Beziehungen zur Zentralstelle 
getreten. Er ist überzeugt, daß dort das strategisch-politische Grund- 
problem im Kern richtig erfaßt wird: „Nach Osten schlagen, nach Westen 
sich verteidigen und den Angriffswillen der Engländer durch eine politische 
Offensive lähmen.“ Aber er sieht mit Sorge, daß die Widerstandskraft der 
leitenden Männer gegen die Forderungen der Marine täglich mehr dahin- 
schwindet. Er rechnet tatsächlich damit, daß wir es fertigbringen könnten, 
England aus seinen furchtbaren Verlegenheiten mit einem Schlage zu er- 
lösen. Da verabredet er mit Rohrbach: man solle eine öffentliche War- 
nung herausbringen und so deutlich wie möglich unserer Staatskunst den 
rettenden Ausweg weisen. 
Am 20. November wird in der „Deutschen Gesellschaft“ vor einer 
aus Politikern und Diplomaten bestehenden Zuhörerschaft der Vortrag: 
„Englands Kriegswille im Lichte der englischen Dresse“! ge. 
halten. Darin wird auf den Weg ins Verderben hingewiesen, den ein ver- 
blendetes England gehen könnte. Anter dieser Verschleierung aber wird die 
deutsche Regierung angeredet und beschworen, den Verlockungen des 
Übermuts zu widerstehen. 
„Die senglischen) Staatsmänner, deren Einsicht heute eine Lösung 
gefunden haben mag, fühlen noch nicht die starke Volksbewegung im 
Rücken, die ihnen allein die Kraft des Handelns und Redens gäbe. 
Man bört hier und da in England das Wort: Das Volk ist noch nicht 
1 Gedruckt: Preußische Jahrbücher, Januar 1917, Bd. 167, Heft 1, S. 1ff. 
Vrinz Max von Baden 4 40
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.