Full text: Prinz Max von Baden. Erinnerungen und Dokumente.

Gröner hatte viel dazu beigetragen, die Mission Drews zum Scheitern zu 
bringen; er war jedoch erst am 30. Oktober von Kiew nach Spa gekommen, 
batte sich am 31. Oktober und 1. November an der Front orientiert und 
war eigentlich schon seit Wochen ohne Fühlung mit der Heimat. Aber 
früher, als Chef des Kriegsamts, hatte er in täglicher Zusammenarbeit mit 
den Gewerkschaften gestanden, ihr Vertrauen gewonnen und ihr National= 
gefühl erprobt. Er mußte im Grunde wissen, daß seine Aufgabe an der 
Front unlösbar war, wenn die Heimat zusammenbrachz; es sollte eigentlich 
gelingen, ihn in Berlin davon zu überzeugen, daß die innere Front ein- 
stürzen würde, wenn der Kaiser es den Sozialdemokraten nicht ermöglichte, in 
der Regierung zu bleiben. Gröner war der Nachfolger Ludendorffs. Hatte er 
einmal die Illusionen des Hauptquartiers abgestreift, so würde er vielleicht 
auch den Kaiser in Spa zur Erkenntnis der Wirklichkeit bringen können. 
General Gröner würde am 5. in Berlin eintreffen und konnte erst am 
7. November wieder in Spa sein. Konnten wir so lange warten? Wir 
hatten alle das Vorgefühl sich überstürzender Ereignisse. Vor vier Wochen 
fragte man jeden Morgen: Ist an der Front keine Katastrophe passiert? — 
Jectzt galten unsere schwersten Befürchtungen der Heimat. 
Auf heute, den 4. sind Unruhen in Berlin angesagt, das hatte der Ab- 
geordnete Ebert Wahnschaffe telephonisch mitgeteilt und binzugefügt: die 
Gewerkschaften täten alles, was sie könnten, um die Massen im Zaum zu 
halten. Nach seinen Eindrücken aber schienen sich die lokalen Behörden 
über den Ernst der Lage zu täuschen. Wir alarmierten die zuständigen In- 
stanzen. In der Kabinettssitzung glaubte Scheidemann beruhigen zu können: 
In Berlin sei alles geschehen, um die Sache für den Augenblick unschädlich 
zu machen. Dem Abgeordneten Ebert sei es gelungen, „die Vertrauens- 
männer aus den großen Betrieben zusammenzunehmen“. Allerdings stehe 
in einer Morgenzeitung eine sehr gefährliche Nachricht aus München. 
Eine große Menge sei nach dem Gefängnis Stadelheim gezogen und habe 
Entlassung der Inhaftierten gefordert. Jetzt solche Meldungen in Berlin 
zu verbreiten, sei geradezu gewissenlos. 
An diesem Vormittag fand zwischen dem General v. Winterfeldt und 
dem Staatssekretär Scheidemann ein bezeichnender Wortwechsel statt. 
General v. Winterfeldt: Wir rechnen mit schweren Bedingungen. 
Sollten diese zu schwer sein, so würden wir sie ablehnen unter Vorlegung 
der Bedingungen, die wir für erträglich halten. Die Entente rechnet selbst 
damit, daß wir ihre Bedingungen nicht sofort annehmen. 
Scheidemann: Die Oberste Heeresleitung muß genau orientiert werden 
über die Lage im Innern. Wir werden keinen Widerstand mebhr leisten 
können. Die Lage hat sich sehr verschärft. 
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