Wir entsandten noch an demselben Tage den Abgeordneten Noske,1
der als Marinereferent der Sozialdemokratischen Partei bei den Matrosen
große Achtung genoß. Staatssekretär Haußmanns begleitete ihn als Ver-
treter der Regierung.
Im Laufe des 4. November funktionierten die telegraphischen und tele-
phonischen Verbindungen schlecht. Wir warteten mit großer Spannung auf
Moskes und Haußmanns erste Meldungen. Auch die Herren von der Marine
sahen in diesem Augenblick nicht klar, aber sie verfügten über eine sichere
Kenntnis von entscheidender Bedeutung. Warum wurde sie mir noch an
diesem Tage vorenthalten? Tatsächlich hatte am 29. Oktober die Flotte zur
Entscheidungsschlacht ausfahren sollen. Tatsächlich war am 31. Oktober der
Befehl zurückgezogen worden unter dem Eindruck der Meuterei, und wir
VWenn der Waffenstillstand noch nicht abgeschlossen ist, so kommt
das daher, daß die Gegner ihre Bedingungen noch nicht genannt
haben. Solangedie Kriegshandlungen durch den Willen der anderen
Seite fortgehen, bestrebt sich die deutsche Kriegsführung zu Lande
und zur See, mit Menschenleben so zu sparen, wie dies mit den
Zwecken notwendiger Abwehr vereinbar ist.
Die Aufgabe, unnütgzes Blutvergießen zu vermeiden, kommt aber nicht nur
der Regierung, sondern dem ganzen Volke zu. Wir wollen den Völkerkrieg
nicht abschließen, um den Bürgerkrieg zu beginnen. Gewissenlos handelt,
wer durch Ausstreuung phantastischer Gerüchte Anruhe verbreitet und die Flamme
des Bürgerkrieges entfacht.
Beschwerden sollen untersucht, berechtigte Forderungen erfüllt
werden.
Oie ARegierung ist aber auch verpflichtet, mit allen Mitteln, die ihr zu Gebote
stehen, das Volk vor dem Elend zu schützen, das ihm aus der Zerstörung jeglicher
Ordnung erwachsen würde, sie ist verpflichtet, nach Recht und Gerechtigkeit zu ver-
fahren, dafür trägt sie vor dem ganzen Volk und seiner gewählten Vertretung, dem
Deutschen Reichstag, die volle Verantwortung.
Seeleute! Arbeiter!
Seid Ihr Euch der Verantwortung bewußt, die Ihr vor Euren Volksgenossen
tragt? Sorgt dafür, daß die traurigen Ereignisse der letzten Tage vereinzelt
bleiben und daß wir ohne blutige Wirren unsere inneren Angelegenheiten in
gesetzlicher Freiheit ordnen können, dem deutschen Volk und Euch selbst
Zzum Heill
Max, Prinz von Baden Scheidemann
Reichskanzler. Staatssekretär.
Ritter von Mann
Staatssekretär des Reichsmarineamts.
1 Für die Vorgänge in Kiel vgl. Gustav Noske, Von Kiel bis Kapp.
* Vgl. Haußmann, a. a. O., S. 265 f.
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