Full text: Prinz Max von Baden. Erinnerungen und Dokumente.

Arrestanstalten befindlichen Arrestanten einschließlich der Untersuchungsgefangenen 
auf Grund der getroffenen Vereinbarungen in Freiheit zu setzen sind. 
3. Der Gouverneur wird bei der Seekriegsleitung bzw. dem Kommando der 
Hochseestreitkräfte dafür eintreten, daß die Schiffe des 3. Geschwaders Kiel wieder 
aufsuchen, um die an Land zurückgebliebenen Mannschaften dieser Schiffe wieder 
an Bord zu neymen. 
4. Der Vertreter der Regierung, Staatssekretär Haußmann, erklärt, daß er 
bei der Regierung unter Darlegung der Verhältnisse, die er hier angetroffen hat, 
in weitgehendster Weise dafür eintreten wird, daß die Regierung beschleunigt einen 
Amnestieerlaß betreffend die Freilassung sämtlicher politischer Gefangener, ins- 
besondere auch der in Celle und Köln befindlichen Aufruhrgefangenen auf gesetz- 
lichem Wege herbeiführen wird. Zu 1. An Seekriegsleitung R.M. A., IX. Korps, 
ist bereits entsprechende Bitte gerichtet. Zu 3. Es wird gebeten, 3. Geschwader 
entsprechenden Befehl zugehen zu lassen. 
II. Von den Truppen gebildete neue Organisation glaubte Nachricht zu haben, 
daß Wandsbecker Husaren im Anmarsch sind, und haben Gouverneur als Geisel 
auf Bahnhof, bis sichere Nachricht vorliegt, daß Nachricht nicht zutrifft. Er- 
hebungen sind im Gange. 
III. Fernsprech- und Fernschreibzentrale stehen unter Kontrolle der neuen 
Organisation, die sich bewußt ist, daß gänzliche Verhinderung des Gebrauchs 
die schwersten Folgen haben kann. 
Der letzte Teil dieser Depesche stand deutlich unter dem Druck der Auf- 
rührer. Die Nachrichten blieben während der nächsten 24 Stunden unklar 
und alarmierend; sie waren auch häufig dunkel in ihrer Herkunft. 
Inzwischen erhielten wir die Gewißheit, daß in unserer nächsten Nähe ein 
anderer Seuchenherd wirksam war und eine unheimliche Ansteckungskraft 
ausübte: die russische Botschaft. Die verdächtigen Zeichen hatten sich in 
den letzten Wochen gehäuft: auffallend reger Kurierdienst, Gerüchte über 
umfangreichen Waffenschmuggel; russische Agitatoren reden in den Ver- 
sammlungen der AUnabhängigen Sozialdemokratischen Partei Deutschlands; 
der abgerufene Attaché Semkoff, so wurde berichtet, habe sich bei einem 
Abschiedsessen gerühmt, Millionen in das deutsche Volk gebracht zu haben, 
zur Förderung der in Kürze bevorstehenden Revolution. 
1 Am 4. November erhielt ich eine alarmierende Nachricht aus Hinterpommern 
über die Verbreitung der bolschewistischen Lehre auch unter der Landbevölkerung. 
Der Schriftsteller Richard Skowronnek schrieb mir, „daß die arbeitende ländliche 
Bevölkerung schon seit Wochen die Aufteilung der herrschaftlichen Güter nach 
russischem Muster erörtere“. Man warte nur auf die Rückkehr der an der Front 
stehenden Truppen. „Die Lehre, daß unsere Niederlage nur die „Reichen“ trifft, wäh- 
rend sie den „Armen“ in Gestalt der allgemeinen Teilung nur Vorteile bringt, hat 
sich — dank einer gewissenlosen Agitation — so tief ins Volk gefressen, daß es ge- 
waltiger Anstrengungen bedürfen wird, sie wieder aus zurotten.“ Vgl. auch Miliukow, 
a. a. O., S. 153 ff. 
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