Full text: Prinz Max von Baden. Erinnerungen und Dokumente.

Infanteriedivision bei Köln angekommen seien, auch die angeforderte wei- 
tere Division rolle seit gestern. Alles kam darauf an: 
Wird es bis zum Eintreffen der kampfkräftigen Truppen gelingen, den 
Aufruhr auf den Bezirk des IX. Armeekorps zu beschränken? Werden die 
anderen Stellvertretenden Kommandierenden Generale bis dahin die Situa- 
tion mit den Ersatzformationen halten können? 
Aus Hannover lagen böse, wenn auch noch unklare Nachrichten vor. 
Für Berlin hatte Scheüch noch keine Sorge: die Truppen genügten zu- 
nächsk, um einen Aufruhr niederzuschlagen, wenn das Militär sicher sei. 
Und daran schien er nicht zu zweifeln. Am 3. November hatten bei einer 
Besprechung auf dem Oberkommando in den Marken die Führer ver- 
schiedener in Berlin stationierter Truppenteile erklärt, daß sie unbedingt 
auf die Zuverlässigkeit ihrer Mannschaften rechnen könnten. 
Scheüch unterrichtete uns über die Abwehrmaßnahmen der Berliner 
Kommandobehörden: Kompagnien mit 10 bis 15 Offizieren werden ge- 
bildet, die Stadt ist in Reviere eingeteilt, die Bataillone werden in den 
Häusern unauffällig verteilt. Allen Angehörigen des Heeres und der 
Marine aus dem Bereich des IX. Armeekorps ist das Betreten von Berlin 
und der Provinz Brandenburg verboten. Starke Bahnhofswachen werden 
in Neustadt a. d. Dosse und in Nathenow eingerichtet, um alle Züge zum 
Halten zu bringen. Die Berliner Bahnhofswachen sind verstärkt worden, 
um die nach Berlin kommenden Matrosen festzunehmen. 
Für morgen sind vom Oberkommando in den Marken besondere Vor- 
sichtsmaßregeln getroffen. Der 7. November ist der Jahrestag der russischen 
Revolution. Drews hat erklärt, Vertrauen zur Berliner Schutzmannschaft 
zu haben. 
Scheidemann kam aus dem Reichstag. Dort tagte in gemeinsamer 
Situng die Reichstagsfraktion und der Darteiausschuß der Sozialdemo- 
kraten. Gröners Absage übte offenbar den bestimmenden Einfluß auf den 
Gang der Beratungen: Scheidemann eröffnete uns, wir müßten unter allen 
mständen mit einem offiziellen Schritt in der Abdankungsfrage rechnen. 
Im Augenblick kämpften noch zwei Strömungen miteinander; ein Teil 
der Partei dränge auf ein befristetes Altimatum, der andere wolle sich 
damit zufrieden geben, daß der Parteiausschuß öffentlich seine Billigung 
zu dem von Scheidemann an mich gerichteten Briefe ausspreche. Scheide- 
mann drohte: die Kaiserfrage springt in die republikanische über, wenn 
sie nicht eine rasche Lösung findet. Die Erregung unter den Arbeitern 
sei groß, er hoffe auf Beruhigung durch den unmittelbar bevorstehen- 
den Waffenstillstand — aber nur dann, wenn die Abdankung vorher er- 
folgt sei. 
500
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.