Full text: Prinz Max von Baden. Erinnerungen und Dokumente.

einfach dem Drängen der Straße nachzugeben. Seine Majestät sollte zu- 
nächst einen Stellvertreter bestellen. So bald wie möglich sollte dann ein neuer 
Reichstag gewählt werden und zu den Verfassungsfragen Stellung neh- 
men, die mit der Thronentsagung zusammenhingen; dann erst sollte die 
Abdankung erfolgen. Auch dieser Weg wäre wahrlich ein schwerer für den 
Kaiser, bei der Auffassung, die er von seinem hohen Amte hatte; aber 
doch immer noch erträglicher, als wenn er einfach ja sagte zu dem, was 
„Vorwärts"“ und „Frankfurter Zeitung"“ täglich forderten. 
Das Wort „Verfassunggebende Nationalversammlung“! war auf den 
HOippen der Menschen, seit die Donaumonarchie sich aufgelöst hatte und 
Deutsch--Osterreich zum Reich zurückstrebte. Diese Harole — dessen war 
ich gewiß — war heute die einzige, die geeignet war, die Aufruhrbewe-= 
gung zurückzudämmen. Es galt den demokratischen Gedanken gegen die 
Revolution aufzurufen. Würden mir die Sozialdemokraten auf diesem 
Wege folgen? Ich hatte diesen Glauben, bestärkt durch ein Wort, das am 
Sonntag, den 3. November im „Vorwärts"“ gestanden hatte: 
„Wir wollen aber gar nicht überwältigen, sondern wir wollen überzeugen, 
und wenn ein Zwang vorliegt, was wir nicht bestreiten, so geht er nicht von uns, 
sondern von den allgemeinen Verhältnissen aus. Gegen eine demokratische Rege- 
lung hätten wir selbstverständlich nicht das geringste einzuwenden, und wenn man 
sich auf der Linie einigen wollte, die Angelegenheit so bald wie möglich zum 
Gegenstand einer Volksabstimmung zu machen, so wären wir durchaus ein- 
verstanden.“ 
Am 7. November früh stand die W.T.-B.-Meldung in den Zeitungen, 
daß die deutsche Delegation zum Abschlusse eines Waffenstillstandes und 
zur Aufnahme von Friedensverhandlungen am 6. nachmittags von Berlin 
nach dem Westen abgereist sei. Die Zusammenkunft mit den Gegnern dürfte 
am Freitag (8. November) erfolgen. 
Die Ankündigung war von folgendem Aufruf begleitet: 
„Mahnung des Reichskanzlers an das deutsche Volk. 
Berlin, 6. November 1918. Amtlich. 
Dräsident Wilson hat heute auf die deutsche Note geantwortet und mit- 
geteilt, daß seine Verbündeten den 14 Dunkten, in denen er seine Friedens- 
bedingungen im Januar dieses Jahres zusammengefaßt hatte, mit Ausnahme 
der Freiheit der Meere zugestimmt haben, und daß die Waffenftillstands- 
bedingungen durch Marschall Foch mitgeteilt werden. Damit ist die Voraus- 
setzung für 
1 Meiner Erinnerung nach wurde die Parole zuerst in der „BVossischen Zeitung“ 
ausgegeben. 
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