sein Altimatum formell zurücknehme und für die Geheimhaltung sorge. Für
diesen Fall ermächtigte ich Simons, die Zusage zu geben, daß ich dann
doch noch heute abend meine Reise nach Spa antreten würde.
Simons kehrte rasch zurück. Ebert hatte den ehrenvollen Rückzug
verweigert:
„Heute abend finden 26 Versammlungen statt in allen großen Lo-
kalen. Heute abend müssen wir das Ultimatum von jeder Tribüne
verkünden, sonst läuft uns die ganze Gesellschaft zu den Anabhängigen."“
Ebert sei wie verändert gewesen. Simons sah sich einer unerwarteten
Entschlossenheit gegenüber: Ebert schien plötzlich die Hand nach der Führer-
schaft des Staates auszustrecken. So stark war dieser Eindruck, daß Simons
die Frage stellte: „Dann wollen Sie wohl Reichskanzler werden?“ Dar-
auf antwortete Ebert: „Das steht noch nicht fest.“
Gleich nach Simons Rückkehr rief ich den Vizekanzler v. Payer
herbei und sagte ihm, daß ich sofort Seine Majestät um meine Ent-
lassung bitten würde. Er war tief erschüttert, aber schien von der VFolge.
richtigkeit solchen VBorgehens überzeugt. Ich trug ihm auf, mich in dem
gerade versammelten Kriegskabinett zu vertreten und die Mitarbeiter
von meinem Entschluß zu verständigen.
Dann setzte ich das folgende Entlassungsgesuch auf:
„Verlin, den 7. November 1918.
„Seiner Majestät dem Kaiser und König.
„Ew. Majestät wissen, daß das sogenannte Kriegskabinett trotz meiner
ernsten und nachdrücklichen Warnungen seit einiger Zeit die Allerhöchste
Person in die Erörterung hineingezogen hat. Das geschah zunächst in
meiner Abwesenheit. Nachdem aber der Staatssekretär Scheidemann
mir schriftlich die Mitteilung hatte zugehen lassen, seine Partei erwarte,
daß ich Ew. Majestät den NRat erteile, dem Thron zu entsagen, und ich
mich vergebens bemüht hatte, ihn zur Zurücknahme seines Briefes zu
veranlassen, mußte ich Stellung nehmen.: Ich las daher dem Kabinett
eine schriftliche Erklärung vor, wonach ich weder zulassen könne, daß auf
Ew. Moajestät in der Frage der Thronentsagung ein Druck ausgeübt
werde, noch bei Beratung Ew. Moajestät mir selbst einen Druck gefallen
lassen würde.
1 Die formelle Zurücknahme des Briefes war wohl erfolgt, aber tatsächlich war
von dessen Inhalt der Offentlichkeit Kenntnis gegeben worden.
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