„Durch die Abreise Ew. Majestät ins Große Hauptquartier, die ohne
meine Kenntnis beschlossen und gegen meinen Rat ausgeführt wurde,
war eine laufende Verständigung mit Ew. Majestät sehr erschwert.
Andererseits waren mit meiner Entfernung vom Sitze der Reichs-
geschäfte unvermeidlich erhebliche Schwierigkeiten verbunden. Trotzdem
war ich nach der Gesamtheit der Umstände und aus reiflich erwogenen
Gründen entschlossen, noch heute abend zu Ew. Majestät aufzubrechen,
um die Informationen zu ergänzen, die in meinem Auftrag die Staats-
minister Delbrück und Drews Ew. Majestät vorgetragen hatten. Heute
nachmittag überbrachten mir aber Scheidemann und Ebert namens der
Sozialdemokratischen Partei ein Altimatum, worin unter anderem ge-
fordert wurde, daß der Bevölkerung bis morgen nachmittag die Nach-
richt von der Thronentsagung Ew. Mojestät mitgeteilt werden könne.
„Meine Bemühungen, die beiden Parteiführer von dem für das
Vaterland verhängnisvollen Charakter dieser Forderung zu überzeugen,
waren fruchtlos. Die Parteiführer sind überzeugt, daß heute nacht noch
in Berlin Revolten großen UAmfangs ausbrechen werden, wenn sie die
Menge nicht mit der Aussicht auf eine solche Nachricht vertrösten können;
sie weigern sich, das Altimatum zurückzunehmen, sind vielmehr aus Sorge
vor der wachsenden Macht der Nadikalen entschlossen, die Tatsache, daß
es gestellt ist, hbeute abend taktisch zu verwerten und zu veröffentlichen.
„Unter diesen Amständen ist die Einheitlichkeit der heutigen Reichs-
leitung nicht aufrechtzuhalten. Die Mehrzahl der Kabinettsmitglieder
und der Staatssekretäre nehmen eine der sozialdemokratischen entgegen-
gesetzte Haltung ein. Da ich die Geschäfte des Reiches nur führen kann,
wenn ich das Vertrauen und den Willen der Reichstagsmehrheit ge-
schlossen hinter mir habe, und da ich als Reichskanzler meinen Entschluß,
in der Frage der Allerhöchsten Person keinerlei Druck zuzulassen, fest.
halten muß, bitte ich Ew. Majestät in tiefster Ehrfurcht, mich von dem
Amte des Neichskanzlers in Gnaden entbinden zu wollen.
„Bis zur Entscheidung erachte ich es als meine selbstverständliche Pflicht,
in dieser stürmischen Zeit die Leitung der Reichsgeschäfte in der Hand
zu behalten, zumal die im Gang befindlichen Waffenstillstandsverhand-
lungen durch ein Aussetzen der Reichsleitung gefährdet werden könnten.“
Das Kabinett trat zusammen. Zunächst wurde das Verbot der Versamm-
lungen erörtert. Der Kriegsminister verteidigte den Oberbefehlshaber in
den Marken, den man in diesem Augenblick nicht unsicher machen dürfe;
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