das würde aber geschehen, wenn man zu guter Letzt die Genehmigung doch
erteilte. Man müsse ihm seine Selbständigkeit lassen.
Drews bestritt, daß sich in dieser Zeit der Grundsatz aufrechterhalten
ließe: die Zentralinskanz sollte möglichst wenig in die Selbständigkeit der
Lokalbehörden eingreifen.
Scheidemann unterbrach die Diskussion mit der Frage: „Ist das Kabinett
über unseren Schritt bei dem Herrn ANeichskanzler unterrichtet?“
Payer ermächtigte Scheidemann, die Staatssekretäre ins Bild zu seten.
Scheidemann führte aus:
„Das Versammlungsverbot war Anlaß, daß wir die ganze Situation
erneut beraten haben. Das Verbot des Oberkommandos, Arbeiter-
und Soldatenräte zu bilden, hat allgemeine Heiterkeit erregt. Es hat
denselben Sinn, als ob man verbieten würde, daß es morgen nicht
regnen soll. Das Versammlungsverbot hingegen hat wie eine Auf-
reizung gewirkt. Ich glaubte gestern nach Rücksprache mit Exzellenz
Drews, daß die Versammlungen genehmigt werden würden und daß
keine Aberwachung stattfinden werde. Zu meinem Erstaunen sind die
Versammlungen doch verboten; die Regierung muß hierfür die Ver-
antwortung tragen, wie die „Vossische Zeitung“ richtig ausgeführt hat.
Das ist für uns nicht erträglich. Es hat sich hier wiederum gezeigt, daß
von militärischer Seite in anderer Richtung gearbeitet worden ist.
Nach der NRücksprache zwischen Ebert und dem Herrn Reichskanzler
beute morgen schien es, als ob noch ein modus vivendi gefunden werden
könnte, aber durch das Versammlungsverbot und die sich überstürzen-
den Ereignisse ist das überholt. Die Vorgänge in den Küstenstädten
und in Hannover zeigen, daß Teile des Reiches in Revolution stehen.
Es kommt hinzu, daß die in Berlin vorgenommenen Maßnahmen, wie
Aufpflanzen des Militärs mit Bajonetten, Aufstellung von Ma-
schinengewehren am Lehrter Bahnhof, verbitternd gewirkt haben.
So ist eine Gesamtsituation entskanden, die uns vor die schwerste Ent-
scheidung gestellt hat. Dem außerordentlich geschickten Eingreifen des
Abgeordneten Ebert ist es die letzten Abende noch gelungen, die Massen
ruhig zu halten. Jetzt ist das nicht mehr möglich, ohne daß bestimmte
Forderungen erfüllt werden. Wir haben daher dem Herrn Reichskanzler
im Auftrage der Vorstände der Sozialdemokratischen Partei und der
Sozialdemokratischen Fraktion folgende letzte Forderungen gestellt:
1. Freigabe der heute verbotenen Versammlungen.
2. Anweisung an Polizei und Militär zur äußersten Besonnenheit.
3. Rücktritt des Kaisers und des Kronprinzen bis Freitag mittag.
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