Haußmann:,Ich bin verletzt über die ganze Art und Weise des sozial-
demokratischen Vorgehens. Hierdurch wird unsere Mehrbeit gesprengt.
Man zerschlägt alles in dem Augenblick, wo man in Dreußen refor-
mieren will. Wenn man so schroff vorgehen wollte, warum hat man
uns das nicht gesagt.“
Scheidemann wird unsicher. „Das lag an dem Zeitmangel; wir
haben nachmittags erst die entscheidende Sitzung gehabt. Die Ereignisse
überstürzen sich eben. Die Bewegung wächst uns sonst über den Kopf. Ein
befristetes Altimatum war absolut notwendig. Ich kann das, was Graf
Moedern sagte, nicht gelten lassen, denn das, was er schilderte, ein regie-
rungsloses Deutschland, kritt dann nicht ein, wenn der Reichskanzler nicht
zurücktritt. Es tut uns sehr leid, wenn der Herr Reichskanzler diese
Konsequenz ziehen will. Wir konnten aber im Interesse des Reichs nicht
anders handeln.“
Payer wird immer schärfer: Das sei ein Irrtum. Das Reich könne
mur gerettet werden, wenn die Mehrheitsparteien zusammenhalten. Aber
das Vorgehen der Sozialdemokraten mache jedem, der etwas auf sich
hält, das Zusammenarbeiten mit ihnen beinahe unmöglich. „So kann man
unter gebildeten Menschen nicht verhandeln. Wie Exzellenz Scheidemann
sich das vorstellt, nämlich auf telephonischem Wege die Abdankung bis
morgen herbeizuführen, das ist doch ausgeschlossen. Ich würde ein solches
Ansinnen an Stelle des Reichskanzlers auch ablehnen."“
Solf warnt vor den Wirkungen auf das Ausland, die mein Qücktritt
haben würde. Es werde überall heißen, der Prinz glaubt selbst nicht
mehr an die Zukunft Deutschlands. Solf macht den Vermittlungsvorschlag,
drei Tage Frist zu geben, bis der Waffenstillstand formell abgeschlossen ist.
Scheidemann will alles tun, um meinen Rücktritt zu vermeiden. „Die
Regierung braucht nicht zusammenzubrechen, wenn der Neichskanzler
bleibt. Unsere Aberzeugung ist, es tritt ein revolutionärer Zusammen-
bruch Deutschlands ein, wenn der Kaiser nicht sofort abdankt."“
Nun folgten die denkwürdigen Worte:
„Dankt er ab, so glauben wir die Garantie übernehmen
zu können, daß die Entwicklung sich günstig gestalten
wird. Wir sind bis heute unseren Zusagen treu geblieben, wir haben
unseren Ruf auf das Spiel gesetzt.“
And dann kam das erschütternde Eingeständnis:
„Ich muß mich aber dem fügen, was in der artei beschlossen wird.
Warum soll der Prinz Konsequenzen zieben? Er darf das nicht tun.
Er muß bleiben.“
610