Full text: Prinz Max von Baden. Erinnerungen und Dokumente.

Meine Partei wird dafür sorgen, daß Deutschland vom 
Bolschewismus verschont bleibt. 
An diesem Morgen regten sich Hoffnungen in der Reichskanzlei. Wir 
standen unter dem Eindruck der wiedererstarkenden Macht der Mehrheits- 
sozialdemokratie. Ebert hatte nach den Zügeln gegriffen und würde die 
Herrschaft über die Massen behalten, wenn der Kaiser abdankte. Ein paar 
Stunden meinten wir: der Kaiser wird es tun. Ich glaubte an das Schwer- 
gewicht meiner Gründe, mehr noch an die Überzeugungskraft der Tat- 
sachen, die in furchtbarer Folge aus allen Teilen des Landes gemeldet 
wurden. Der Kaiser konnte eigentlich nicht anders, er mußte den einzigen 
Ausweg wählen, der sich ihm öffnete. Seine Lage war wahrhaft tragisch. 
Aber in dem Ruf: Oeutsch--Osterreich soll heimkehren, wir wählen eine 
Verfassunggebende Nationalversammlung — darin lag etwas, das auf- 
richten konnte, nicht nur unsere arme, um den Sieg betrogene, in den eigenen 
Grenzen bedrohte Nation, sondern auch denjenigen, der als erster diesen 
Ruf anstimmen würde — den abdankenden Kaiser. 
Payer drang erneut in mich mit starken Gründen, ich dürfe und müsse 
Kanzler bleiben, wenn der Kaiser abdanke. Wenn ich ginge, dann wollte 
der Wizekanzler auch gehen. 
Meine Umgebung redete auf mich ein: meine Mission sei erst nach 
Friedensschluß zu Ende. Wenn der Kaiser das Opfer bringe, dann werde 
sich die alte Majorität erneut zusammenfinden, und ich könne dann wieder 
die Regierung übernehmen. Ja mehr als das: Nach der Ankündigung der 
Verfassunggebenden Nationalversammlung sei für den Kanzler der Weg 
frei, den Führergedanken wieder aufzurichten und die Regierung so neu 
zu bilden, daß aus ihr ein arbeitsfähiges Instrument würde. Wir machten 
Hläne, wie das Kriegskabinett — der Sopjet, wie wir es nannten — 
nach Hause zu schicken sei und die kollegialen Arbeitsmethoden endgültig 
verlassen werden könnten, die so oft die Exekutive lähmten. Es könnten 
unbedenklich mehr Sozialdemokraten in die Regierung aufgenommen 
werden, aber vielleicht andere, die weniger das Rednertalent als ihre solide 
Tüchtigkeit emporgetragen hätte. Wir dachten an Roske. Allerhand Kom- 
binationen tauchten aufs: ich berief auf jeden Fall Rangau telegrapbisch 
nach Berlin und schlug ihn in Spa als meinen Nachfolger vor. Aber Si- 
mons hielt bereits an diesem Tage Ebert für den gegebenen Reichskanzler. 
Er glaubte nicht, daß ich schon völlig ausscheiden dürfe; bis zum Friedens- 
schluß, den mir nahe wähnten, hielt er es für das beste, wenn der Kaiser 
mich zu seinem Stellvertreter ernennen würde. 
Man kann im Lichte der nachfolgenden Ereignisse alle diese Stimmungen 
und Erwägungen als „Euphorie"“ abtun. Ich aber halte heute noch daran 
618
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.