fest: wenn der Kaiser den rettenden Weg gegangen wäre, den ich ihm
wies — vor dem 8. abends, ja bis zum 9. früh, ehe die Massen auf der
Straße waren —, dann hätten wir keine Revolution erlebt, auch keine
DMäterepublik, keinen Kapp-Putsch und keinen Erzberger-Mord. Es wäre
mir vergönnt gewesen, Deutschland als Rechtsstaat in den Frieden hin-
einzuführen. Die Errungenschaften der Oktoberregierung wären er-
balten geblieben, der Weg der Reformen wäre weiter beschritten worden
in organischer Verbindung mit der Vergangenheit, ohne Millionen zu
verbittern und in ihrer #berzeugung zu vergewaltigen. Dann ständen
sich heute nicht zwei Deutschland scheinbar unversöhnlich gegenüber, die
zu verschiedenen Fahnen schwören.
Um Mittag traf der folgende Bescheid aus dem Hauptgquartier ein:
„Großes Hauptquartier, den 8. November 1918.
„Euerer Großherzoglichen Hoheit beide Telegramme über die innere
Lage habe ich erhalten. Ich behalte mir eine Entschließung über das Ab-
schiedsgesuch Euerer Hoheit vor, bis der Waffenstillskand abgeschlossen
und Waffenruhe eingetreten ist. Weitere Entschließungen werden sich
aus der alsdann herrschenden Situation ergeben. Bis dahin bitte ich
jedenfalls Euere Hoheit, wie bisher Ihr Amt zu führen.
Wilhelm I. R.“
Grünau war deutlicher:
„Seine Majestät hat es völlig abgelehnt, auf die Vorschläge Euerer
Großherzoglichen Hoheit in der Thronfrage einzugehen, und hält es
nach wie vor für Seine Oflicht, auf Seinem Posten zu bleiben.
Grünau."“
Wir haben noch alles und jedes versucht, um die Wahrheit an den
Kaiser heranzubringen. Wahnschaffe trat immer wieder in Verbindung
mit der AUmgebung Seiner Majestät. Auch Gröner wurde angerufen,
lehnte aber nach wie vor jede Mitwirkung ab. Anerträglich war der Ge.
danke: Wir können nur deshalb nicht überzeugen, weil der Kaiser in
Spa ist.
Am frühen Nachmittag erhielt ich die Nachricht: die Mehrheitssozial-
demokraten, nicht die Unabhängigen, werden es sein, die die Massen
morgen auf die Straße treiben.
Die Reichskanzlei wird mit Vorschlägen bestürmt: sie gehen fast sämt.
lich von der Voraussetzung aus, daß es eine nationale Katastrophe wäre,
wenn die Sozialdemokraten in die Opposition gingen. Ein Kompromiß-
1 Siehe oben S. 605 und 613.
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