Full text: Prinz Max von Baden. Erinnerungen und Dokumente.

war dadurch erschwert, daß die Kabinettsorder, welche dem Kriegsminister 
die übergeordnete Kommandogewalt in der Heimat erteilte, zwar am 
Nachmittag des 8. November unterzeichnet, aber Oinsingen erst am 9. 
früh bekannt wurde. Der Konflikt der Instanzen war mir nicht recht, 
am Vorabend einer entscheidenden Kraftprobe. 
Ein weiteres böses Symptom wurde mir gemeldet: Helfferich und 
Radowitz, beide in Aniform, erschienen in der Reichskanzlei und be- 
richteten über ihre Erfahrungen in der Kommandantur, wohin sie vom 
Oberkommando in den Marken mit vielen anderen zur Zeit nicht ein- 
geteilten Offizieren bestellt worden waren; es sollten besondere Abwehr- 
formationen ins Leben gerufen werden. Die Herren hatten stundenlang 
gewartet und waren schließlich in ihrer großen Mehrzahl ohne irgend- 
welche Instruktionen fortgeschickt worden. Nur einige wenige wurden 
zur Bedienung von Maschinengewehren zurückbehalten. 
Ich habe den Kriegsminister mit wachsenden Zweifeln gefragt, wie es 
mit den Machtverhältnissen bestellt sei. General Scheüch hatte eine sehr 
ernste Nachricht erhalten: heute abend stand endgültig fest, daß morgen 
außer drei Jägerbataillonen keine Fronttruppen in Berlin 
zur Verfügung sein würden. Die 2. Garde--Infanteriedivision war 
in Herbesthal ausgeladen worden zur Offnung der Rheinbrücken und 
Wiedernahme von Köln. Der Kriegsminister hatte schweren Herzens 
der vollzogenen Tatsache zugestimmt, aber gleichzeitig der Obersten 
Heeresleitung erklärt, daß es unverantwortlich sei, Berlin ohne infante- 
ristischen Schutz zu lassen. 
Im Lande hatte die revolutionäre Bewegung reißende Fortschritte ge- 
macht. Die Nachrichten des Kriegsministeriums lauteten am 8. November: 
des Aufruhrs ist von Generalleutnank Scheüch verboten und nur deren Verwendung 
zur Aufklärung erlaubt worden, und zwar vor seiner Ernennung zum Oberbefehls- 
haber des Heimatheeres auf Grund seiner Berechtigung als Kriegsminister, Richt- 
linien für die kampftechnische Berwendung der Waffen zu geben. Maßgebend war 
hierbei, daß der Kommandierende General der Luftstreitkräfte den Kriegsminister 
ausdrücklich vor der Berwendung von Flugzeugen im Straßenkampf gewarnt harte, 
da der Flieger hierbei Freund und Feind nicht unterscheiden und daher mehr Schaden 
als Nutzen stiften könne. Desgleichen hat Generalleutnant Schelülch die vom Ober- 
kommando in den Marken befohlene Verwendung von Flugzeugen gegen die auf der 
Fahrt nach Gerlin befindlichen Eisenbahnzüge mit meuternden Matrosen verboten, 
da diese außer den Aufrührern auch zahlreiche friedliche Reisende beförderten. 
.. Die Verwendung von Danzerkraftwagen zur Bekämpfung des Aufruhrs 
und zum Anhalten der Eisenbahnzüge ist von Generalleutnant Sche#üch ausdrücklich 
erlaubt worden.“ 
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