weht die rote Flagge auf dem Schloß. In München ist die Republik aus.
gerufen. In Schwerin tagt ein Arbeiter- und Soldatenrat. Das Militär
hat sich nirgends bewährt. Wir steuern unfehlbar dem Bürgerkrieg zu.
Ich habe mich gegen den Gedanken gewehrt, aber die Situation ist
heute unhaltbar, die Abdankung würde überall dankbar als befreiende
und heilende Tat begrüßt werden.
„Es bestehen zwei Möglichkeiten: 1. Abdankung, Ernennung eines
Stellvertreters und Einberufung einer Nationalversammlung. 2. Ab-
dankung, Thronverzicht des Kronprinzen und ARegentschaft für den
Enkel.
„Das letztere verlangt der Interfraktionelle Ausschuß. Das erstere er.
scheint mir als das Bessere und bietet alle Chancen für die Monarchie.
Welche Schritte auch immer geschehen, sie müssen mit der größten Be-
schleunigung unternommen werden. Wenn das Opfer erst erfolgt, wenn
schon Blut vergossen ist, dann hat es keine heilende Wirkung mehr. Ich
habe bislang nur aufklärend gewirkt, aber seit gestern habe ich angesichts
der schweren Situation offen sprechen müssen. Falls der Kaiser diesen
Schritt tut, kann mit Hilfe der Sozialdemokratie die Situation gehalten
werden. Sonst steht Republik und Revolution bevor. Könnte man sich
auf die Truppen verlassen, wäre es anders.
„Der Gedanke der Abdankung geht nicht zuerst und allein von der
Sozialdemokratie aus, diese hat die Sache nur in die Hand genommen,
um die Führung zu behalten.
„Es ist die letzte Stunde. Auch für die Friedensverhandlungen kann
die Wirkung der Abdankung ausschlaggebend sein und den Chauvinisten
bei der Entente das Wasser abgraben.
„Wenn die Abdankung heute nicht erfolgt, so kann ich nicht mehr mit.
arbeiten. Auch die deutschen Fürsten können sich nicht mehr vor den
Kaiser stellen.
„Dies ist die furchtbare Lage, in der ich offen sprechen muß, ohne etwas
zu vertuschen. Man hat mir gesagt, daß dir hinterbracht sei, ich intrigierte
gegen dich. Das ist eine Lüge, wie jeder meiner Mitarbeiter beweisen
kann. Wenn ich mich nicht vor dich gestellt hätte, so wäre die Frage
schon vor acht Tagen akut geworden.
„Mein NRat ergeht heute als Verwandter und deutscher Fürst. Das
freiwillige Opfer ist erforderlich, um deinen Namen in der Geschichte
zu erbalten.“
Seine Majestät bekundete den festen Entschluß, nicht nachzugeben. Er
wollte an der Spitze des Heeres die Ordnung in der Heimat wiederher-
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