Nachwort zum 9. November
Was war inzwischen im Hauptquartier geschehen!
Am 9. November lagen für uns die Vorgänge in Spa in einem
unbegreiflichen Dunkel. Heute verfügen wir über die Mitteilungen
von Augenzeugen (vor allem des Herrn v. Grünau und des Grafen
Schulenburg). Wir wissen jetzt, warum wir über den Tatbestand
zu falschen Schlüssen kommen muhbten. In den frühen Vor-
mittagsstunden hatte der Kaiser sich tatsächlich zu dem Ent-
schlusse durchgerungen, der eigentlich unvermeidlich war.
Herr v. Grünau berichtet darüber:
„Der Kaiser, auf den die Darlegungen des Generals Gröner
# ffensichtlich einen starken Eindruck gemacht hatten, war
schwankend; seine Aubßerungen, die eine wehmütige, resignierte
Stimmung verrieten, lieBen jedoch erkennen, daß er sich inner--
lich bereits mit dem Gedanken der Abdankung vertraut gemacht
hatte, und daß er sich zu dem schweren Entschluß durchringen
würde. Auch die übrigen Herren standen unter dem-
selben Eindruck. Während Herr v. Hintze ans Telephon
gerufen wurde, blieb ich eine Zeitlang mit Seiner Majestät allein
und konnte nun meinen am Abend vorher erhaltenen Auftrag aus-
führen, der bezweckte, durch einen rechtzeitigen und freiwilligen
Verzicht des Kaisers die Dynastie und Monarchie selbst zu retten.
Ich stellte dem Kaiser noch einmal vor, daB nach dem Orteil
der ersten militärischen Sachverständigen nichts anderes übrig-
bleibe, als die Abdankung auszusprechen. Es sei für den Kaiser
unmöglich, es zum Bürgerkrieg kommen zu lassen in einem
Augenblick, wo nach mehr als vierjährigem Krieg der Waffen-
stillstand unmittelbar bevorstehe und alles sich nach dem Frieden
und nach der Heimat sehne. Niemand könne die Verantwortung
dafür tragen, wenn am Schlusse dieses langen Krieges und nach
allen Entbehrungen der Heimat die Armee, die so lange den
Krieg von den Grenzen ferngehalten habe, diesen nun selbst
in die Heimat hineintrage mit all den Schrecknissen, all der Ver-
bitterung, die ein Bürgerkrieg im Gefolge habe. Man werde ihm
die ganze Last der Verantwortung aufbürden und ihm vor-
werfen, daB er um seiner selbst willen das Volk in das Unglück
des Bürgerkrieges gestürzt habe. Wenn er aber das große Opfer
bringe, jetzt zurückzutreten, so werde man es zu Hause in
1 Von mir gesperrt.
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