Full text: Prinz Max von Baden. Erinnerungen und Dokumente.

die Opposition gegen den Friedensvertrag wie unter einer Lähmung: Es 
werden täglich in England falsche Nachrichten ausgestreut über Meinungs- 
verschiedenheiten in der deutschen Delegation, zwischen der Delegation 
und der Regierung, über diesen oder jenen Minister, der bereit wäre, ein 
neues Kabinett zur Anterzeichnung zu bilden. Die Korrespondenten fühlen 
täglich den Puls der deutschen öffentlichen Meinung und melden jedes 
Schwanken und Nachlassen. 
Die Gegner des Vertrages in den Ententeländern scheuen unter diesen 
Amständen vor der Verantwortung zurück, Deutschland zur Nichtunter- 
zeichnung zu ermutigen und damit den Frieden binauszuzögern. 
Erst wenn es gelungen ist, in der öffentlichen Meinung der Welt den 
Eindruck festzusetzen, daß Deutschland die Kraft finden wird, die Anter- 
zeichnung zu verweigern und die Konsequenzen auf sich zu 
nehmen, erst dann wird es in England zur politischen Kraftprobe zwischen 
Gegnern und Anhängern des Vertrages kommen. 
Der Ausgang dieser Kraftprobe ist zweifelhaft. Es ist möglich, daß die 
öffentliche Meinung die Wiederherstellung des Wilson-Hrogramms er- 
zwingt, aber Deutschland tut gut, damit zu rechnen, daß noch einmal 
Northeliffe, die Interessentengruppen und die Straße siegen und der 
Haß des englischen Volkes noch ausreicht, um einen Vormarsch, die An- 
wendung der Blockade usw. zu ermöglichen. 
Dazu ist zu sagen: Soll der Vertrag uns aufgezwungen werden, dann 
ist es besser für uns, wenn wir die Feinde in die Zwangslage versetzen, die 
letzte unmenschliche Konsequenz aus ihrer Gesinnung zu 
ziehen. Wir dürfen ihnen dann die Schande nicht ersparen, daß sie es 
unternehmen, gegen den Wilson-Frieden und für den Nachefrieden von 
Versailles ihre Truppen in Bewegung zu setzen und ein nicht kämpfendes 
Volk mit Hunger und Bomben zu überfallen. Das wäre für unsere Geg- 
ner die größte moralische Niederlage ihrer Geschichte. Die inneren 
Bewegungen in Feindesland, die heute allerorten gemeldet werden, 
würden überhand nehmen, und die verantwortlichen Regierungen der 
Entente würden sehr rasch zusammenbrechen. Dann wäre die Bahn frei 
für eine rasche und gründliche Revision der Versailler Vertrages. 
Gewiß, es würden Deutschland neue Leiden auferlegt werden, aber 
diese Leidenszeit wäre voraussichtlich sehr kurz. 
Hier kann eingewendet werden, die Revision würde bald kommen auch 
wenn Deutschland unterzeichnete. Das ist eine falsche Rechnung. 
Sowie der Friede einkehrt, würden zunächst bei den Siegern viele Feste 
gefeiert werden und alsdann die heimischen Drobleme die gesamte Energie 
der Völker absorbieren. Das Interesse an Deutschland würde in England 
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