Full text: Prinz Max von Baden. Erinnerungen und Dokumente.

dem es mühelos gelang, die psychologische Unmöglichkeit der von der 
Marine gewünschten Formulierung nachzuweisen. Die Note ging dann 
mit dem Text Bernstorffs hinaus. 
Ich fragte nach dem Schicksal der Fühler, die bisher von und nach Eng- 
land ausgestreckt worden waren. Hatte wirklich begründete Hoffnung auf 
Frieden bestanden, und scheiterte sie durch unsere Schuld? Die Antwort 
lautete: 
Das könne unmöglich gesagt werden. Eines aber stehe fest: die Er- 
kundungen im April 1915 und Mai 19161 hätten die deutsche Regierung 
davon überzeugen müssen, daß unsere Erklärung über Belgien eine 
politische Waffe wäre, auf deren Anwendung man nicht verzichten 
dürfe; zum mindesten hätte der Versuch gelohnt. 
Im April 1915 habe die amtliche Antwort gelautet: Auf die Sache 
selbst könne nicht eingegangen werden. Zunächst sei es doch außerordent- 
lich fraglich, ob der betreffende holländische Herr eine seriöse Persön= 
lichkeit: sei. Andere Umstände kämen hinzu: das Verhältnis zu Italien 
sei immer schwieriger geworden und müsse zunächst geregelt werden. 
Von wohlunterrichteter Seite sei dann noch erklärend hinzugefügt 
worden, daß man es für zweckmäßig erachte, diesen Versuch einstweilen 
zu ignorieren, da man begründete Hoffnung habe, sich mit Rußland auf 
dem Weg über Kopenhagen zu verständigen. 
Anfang 1916 sei der Bescheid des Auswärtigen Amts gewesen: Man 
müsse zunächst einmal die bevorstehende große Offensive der Engländer 
abwarten. 
„Wahrlich, man schien einer unzugänglichen Mentalität gegenüber- 
zustehen. Unter diesen Amständen war es das Natürliche, daß wir ver- 
suchten, eine öffentliche Zwiesprache von Parlament zu Parlament 
herbeizuführen. 
„Wir gingen zu Friedrich Naumann. Er ist einer der bewegendsten 
Redner Europas, er packt die Menschen immer wieder durch die stets 
sich erneuernde Eigenart seiner Sprache. Anerwartet bricht durch wohl- 
geformte DPerioden das Feuer eines großen und mitleidenden Herzens. 
Wir baten ihn, da offenbar die Regierung — wohl aus Rücksicht auf 
die öffentliche Meinung — sich in der Friedensfrage nicht rühren wolle, 
im Namen seiner Partei im Reichstag zu sagen, daß er die Wieder- 
herstellung der belgischen Integrität und Souveränität als eine deutsche 
Ehrenpflicht betrachte. Wir fanden ein rasches Verstehen. Aber er hieß 
1 Siehe oben S. 35 und 46ff. 
* Er war ein hoher niederländischer Beamter. 
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