Full text: Prinz Max von Baden. Erinnerungen und Dokumente.

deutsche Volk aber wird ihn niemals gehen, ohne daß es ihn geführt 
wird. 
„Naumann ist wiederholt gebeten worden, diese oder jene Aktion zu 
betreiben; er hat einmal grundsätzlich erklärt, man sei als Außenstehender 
nicht im Besig allseitiger Informationen; die Verantwortung der lei- 
tenden Männer sei übermenschlich; man dürfe nicht durch Drängen und 
Kritik diese Last noch größer machen. 
„Das war im Grunde die Einstellung der meisten Parlamentarier, 
die die Politik des Kanzlers stützten. Sie waren blind gegen die Tat- 
sache, daß es Herrn v. Bekhmann unter Amständen nur lieb sein konnte, 
wenn man ihn auf der eigenen Linie vorwärts drängte. So erklärt es 
sich, daß der Kanzler sich in dem entscheidenden Kriegsrat (in Pleß am 
9. Januar 1917) auf keinen parlamentarischen Rückhalt berufen konnte.7 
„Wir haben auch Hilfe außerhalb des Parlaments gesucht. Unter 
dem frischen Eindruck der Haager Besprechungen im Mai 1916 gingen 
zwei Herren des Rohrbach-Kreises zu Ballin, auf dessen Einfluß beim 
Kaiser man Hoffnungen setzte. 
„Ballin versagte sich: im Frühjahr 1915 seien ernste Friedensmög- 
lichkeiten vorhanden gewesen; heute sei ganz England zur Fortsetzung 
des Krieges bis zum äußersten entschlossen. Das habe ihm gestern ein 
Herr bestätigt, der noch vor 14 Tagen am Tische des englischen Königs 
gesessen hätte. 
„Dann wurde Harnack um seinen Beistand gebeten. Er unterhielt 
damals wie auch später nahe Beziehungen zum Kaiser und zum Kanzler. 
Harnack fand die Mitteilung über das Gespräch Grey-Mac Donald er- 
leuchtend." Er sah deutlich die einzigartige Gelegenheit für den Kanzler, 
Mac Donald ins Recht und Grey ins Unrecht zu setzen. 
1 Bethmann Hollweg, Friedensangebot und U.Bootkrieg, Berlin 1919, 
Seite 20: „Das Zentrum hatte im Oktober 1916 namens seiner sämtlichen Frak- 
tionsmitglieder erklärt, daß für die politische Entscheidung über die Kriegführung 
zwar ich dem Reichstag gegenüber allein verantwortlich sei; meine Entscheidung 
dabei werde sich aber wesentlich auf die Entschließung der Obersten Heeres- 
leitung zu stützen haben. Falle die Entscheidung für die Führung des rück- 
sichtslosen U. Bootkrieges aus, so dürfe ich des Einverständnisses des Reichstages 
sicher sein. Das bedeutete: Formal bleibt der Reichskanzler verantwortlich, aber 
bei einer Differenz mit der Obersten Heeresleitung hat er auf keinen Rückhalt 
beim Reichstag zu rechnen. Der Reichstag folgt der Obersten Heeres- 
leitung. Hiermit war, da Konservative und Nationalliberale schon seit früher 
unbedingte und drängende Gerfechter des U. Bootkriegs waren, der parlamen- 
tkarische Ring geschlossen. Der Reichstag hatte eine BVerantwortung für den 
Lauf der Dinge genommen, von der er sich auch hinterher nicht mehr freimachen kann.“ 
ꝛ Vgl. S. 47. 
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