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des dem Präsidium zustehenden Einspruchrechts, ihr Nicht-
bestehen auch ihre Nichtbeachlung zur Folge hat.)
1. Der Reichskangler hat die Vorlagen auch dann dem
Reichstage vorzulegen, wenn er weiß, daß die hier herrschende
Stimmung ihnen nicht günstig ist. Die entgegengesetzte Ansicht
des Abg. Hänelo) hat Fürst Biomarck einmal im Reichstage ½)
widerlegt.
2. Es besteht eine Meinungsverschiedenheit darüber, ob
aluls der Vorschrift, daß die Vorlagen des Bundesrats „im
Namen des Kaisers“ an den Reichstag kommen, der Reichs-
kanzler jedesmal einer besonderen kaiserlichen Ermächtigung
bedürfe. u) Da jedoch hierüber in der Reichsverfassung keine
ausdrückliche Bestimmungen bestehen, die dies anordnen, so ist
nicht ersichtlich, warum eine Generalvollmacht nicht ausreichend
sein sollte. 12)
3. Da Art. 16 Reichsverfass. bestimmt, daß die erforder-
lichen!) Vorlagen nur „nach Maßgabe der Beschlüsse des
Bundesrates“ 11) an den Reichstag gebracht werden, so ist
einerseits damit gesagt, daß die Reichsregierung dieses Recht
ihrerseits nicht hat, also weder ohne noch gegen einen Beschluß
des Bundesrates Vorlagen im Reichstage einbringen kann, 15)
fassungsmäßigkeit des Beschlusses gegenüber dem Reichstage trägt. Dieses
Prüfungsrecht des Kaisers bildet eine Ergänzung des ihm nach Art. 2 und
17 Reichsverfass. zustehenden. Vgl. Hänel, Stud. II, S. 46 f.; Arndt,
Staatsr., S. 179; Dambitsch, S. 327; Reincke, Komm., S. 106.
8) Ebenso Laband, Staatsr. II, S. 27, A. 2; Arndt, Komm., S. 142.
9) Dieser erklärte im Reichstage am 3. Dez. 1875: „Ein Staats-
mamn, der verantwortliche Beamte eines Reichs, verantwortlich gegenüber
dem Parlament, ist verpflichtet, niemals Vorlagen zu machen, von denen
er wissen muß, daß die Majorität des Hauses ihnen niemals zur Seite steht.“
10) Am 9. Februar 1876, Sten. Ber., S. 1327a.
11) So Zorn, Staatsr. I. S. 410.
12) Vgl. Dambitsch, S. 328.
13) Über die Frage, welche Vorlagen als erforderlich anzusehen sind.
entscheidet der Bundesrat selbst nach eigenem Ermessen.
14) Diese Worte sind erst infolge der Konferenzverhandlungen einge-
flgt worden. (Vgl. die Drucks. d. verfassungsber. Reichstags, S. 20, Sp. 2.)
15) v. Rönne, Staatsr., S. 213, Verf.-Recht, S. 154; Zorn, Staatsr. 1,
S. 410; v. Seydel, Jahrb. III, S. 285, Komm., S. 171, 138; Dambitsch,
S. 327.