Full text: Der Geschäftsgang im Bundesrat.

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hat, 21) im Reichstage zu erscheinen und hier die Ansichten seiner 
Regierung 22) zu vertreten, auch wenn sie von der Mehrheit 
des Bundesrates nicht angenommen worden sind. 25) 
1. Die Einladungen an die Vertreter der Regierungen 
ergehen auf Anmeldung durch Zusendung einer gedruckten 
Tagesordnung.?7,) 
2. Die Bundesratsvertreter können auch außerhalb der 
Reihenfolge 250) vor 20) und noch nach Schluß der Debatte bis 
  
nach heutigem Recht ebenfalls nicht, da die in Art. 16 Reichsverfass, er- 
wähnten nicht die Bundesratsmitglieder, sondern den Bundesrat selbst 
vertreten. (Vgl, den Versuch einer Lösung dieses Widerspruchs Meher, 
Lehrb., S. 451; Vogels, S. 35.) Dieser überraschende Widerspruch zwischen 
Verfassung und Geschäftsordnung hat seinen Grund darin, daß im Jahre 
1868 die Geschäftsordnung des preußischen Abgeordnetenhauses ohne Be- 
achtung der verschiedenen Verhältnisse übernommen wurde. (Vgl. hierüber 
Perels, Stellv. Bevollm., S. 269.) 
21) Nicht die Pflicht. (Vgl. dagegen Art. 60, Abs. 2 der Pr. V. I.) 
Gegen den Antrag des Abg. Braun, dem Bundeskanzler die Verpflichtung 
zum Erscheinen im Reichstage aufzuerlegen, äußerte sich Fürst Bismarck in 
der Reichstcgssitzung vom 29. März 1867, Sten. Ber., S. 445. Eine 
moralische Verpflichtung des Kanzlers hierzu ist gewiß nicht zu bestreiten. 
(Vgll. die Worte des Staatssekretärs des Reichsjustizamts im Reichstage 
am 21. März 1901, Sten. Ber., S. 207.) 
22) Praktisch werden nicht die Beschlüsse einer, sondern aller verbün- 
deten Regierungen vertreten. Das Gegenteil wird nur dann eintreten, 
wenn eine Regierung im Bundesrate überstimmt worden ist und auf die 
Weise ihre abweichende Ansicht öffentlich kundgeben will. (Vgl. v. Jage- 
mann, S. 89; Dambitsch, S. 260.) Dies geschieht aber sehr selten, weil 
nur im äußersten Falle eine bestehende Meinungsverschiedenheit im Bundes- 
rate der Offentlichkeit kundgegeben wird. (Ein solcher Ausnahmefall ist in 
der Rede des Ministers v. Mittnacht im Jahre 1894 zu konstatieren, der 
hierdurch das Weinsteuerprojekt des Bundesrates im Reichstage zu Fall 
brachte.) . 
28)Art.9,S.1,Reichsverf."s—Vgl.dieFolgerungenbeiUMth 
S. 249 f.; Westerkamp, S. 110 f. 
24) 5 35, Abs. 1, S. 3 Geschäftsordn. f. d. Reichstag. 
25) Die Bundesratsmitglieder müssen aber auch hier die Verhand- 
lungsordnung einhalten. So brauchen sie nicht zum Wort zugelassen zu 
werden, solange ein anderer Redner spricht oder man in einer Abstimmung 
begriffen ist. (Vgl. die diesbezügliche Rede des Reichstagspräsidenten in 
der Sitzung vom 25. Mai 1883: „Der Art. 9 der Verfassung begründet 
das Recht der Mitglieder des Bundesrats, jederzeit das Wort zu nehmen, 
gLanz unbeschränkt. Eine rechtliche Grenze für diese Befugnis finde ich auch
	        
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