— 11 —
2. Ein anderer Irrtum, der bei der Beurteilung der
rechtlichen Natur des Bundesrates aufgekommen ist, besteht in
dem Vergleich mit einem Staatenhause. Eine solche Einrich-
tung, wie wir sie in den Vereinigten Staaten von Nord-
amerika im Senat und in der Schweiz im Ständerat 10) vor-
finden, ist auch eine parlamentarische, unabhängige Körper-
schaft, 11) wenn sie auch der Gesamtheit gegenüber die Einzel-
staaten repräsentiert, während die Gesamtregierung ganz selb-
ständig dasteht und ihr keine Vertreter der Gliederstaaten
beigegeben sind. Ein solches Staatenhaus setzt sich also aus
Abgeordneten der Nation, nach Staaten gegliedert, zusammen,
377 f. — Schon bei den Vorberatungen der dem konst. Reichstage vorzu-
legenden Verfassung hatte die Großherzogl. Oldenb. Regierung beantragt,
die Vertretung der Nation durch ein aus geeigneten Elementen zu bildendes
Oberhaus, unter entsprechender Beschränkung der Kompetenz des Bundes-
rates, und Einsetzung eines Bundesministeriums, zu ergänzen. (Sten. Ber.
des konst. Reichstags 1867, Aktenst. Nr. 10, S. 24. Vgl. dasu die Gegen-
äußerung des Reichskanzlers vom 13. März 1867, Sten. Ber. S. 178. Ebenso
verlangte der Abg. Dr. Zachariä die Einführung eines Oberhauses neben
dem Reichstage, also das Zweikammersystem, was aber abgelehnt wurde.
(Sten. Ber. des konst. Reichstags 1867, Aktenst Nr. 40, S. 53 u. 436)
Ebenso wurden auch die Pläne der Herzogl. Sachsen-Gothaischen Re-
gierung, die auf Errichtung eines Fürstenhauses gingen (Sten. Ber. des
konst. Reichstags 1867, S. 25), glücklicherweise vereitelt; (vgl. Thudichum,
S. 122 f.; v. Mohl, S. 232) denn einmal könnten die drei Republiken in
Deutschland darin keinen Platz finden, dann ist aber auch das dauernde
Zusammentreten der Bundesfürsten selbst nicht wünschenswert und zudem
undurchführbar. (Vgl. Zorn, Staatsr. I, S. 92.) Weit vorzuziehen ist einem
solchen Fürstenhause ein Vertretungsorgan, bei dem Schwierigkeiten per-
sönlicher Art nicht entstehen können. Fürst Bismarck entschied sich um so
eher für eine solche Gestaltung, als damit, wie oben gezeigt, an frühere
Einrichtungen zwar nicht staatsrechtlich, aber tatsächlich angeknüpft werden
konnte. (Das gelegentliche Zusammenkommen der Bundesfürsten bei wich-
tigen Begebenheiten trägt keinen staatsrechtlichen Charakter, läßt aber die
politische Zusammengehörigkeit und Einigkeit der deutschen Einzelstaaten be-
sonders eindrucksvoll in Erscheinung treten.) .
10) Da Union und Schweiz demokratischen Charakter haben, so sind
hier die Staatenvertretungen eine Vertretung des Volkes der Einzelstaaten.
Die Mitglieder werden durch Wahlkurien der einzelstaatlichen Legislaturen
gewählt. *
11) Vgl. Mayer im Arch. für öff. Recht: Republ. und monarch. Bun-
desstaat. XVIII, S. 337; Zorn, Staatsr. I. S. 146 f.; Roesler, S. 19.