Full text: Der Geschäftsgang im Bundesrat.

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Bundesrate und die Leitung der Geschäfte des Bundesrates 
steht dem Reichskanzler zu, welcher vom Kaiser zu ernennen 
ist. (Art. 15, Abs. 1.) Daraus folgt, daß der Reichskanzler 
immer zugleich preußischer Bevollmächtigter zum Bundesrat 
sein muß, da der Kaiser als solcher keine Bundesratsmitglieder 
ernennen kann, nur der König von Preußen.“ Dieser Schlusß 
ist nicht klar. Wenn der Kaiser ein außerpreußisches Mitglied 
des Bundesrates zum Reichskanzler wählte, so ernennt er damit 
kein außerpreußisches Bundesratsmitglied, sondern ein außer- 
preußisches M titglied zum Reichskanzler. Damit würde er 
trotzdem der Verfassung gerecht werden. 
br. Als Argument für die Ansicht Labands führt Meyer 
die Entwicklungsgeschichte des Reichskanzleramtes au. 15) Er 
fagt hier, der Reichskanzler sollte nach dem Entwurf der Nord- 
deutschen Bundesverfassung nur Vorsitzender und preußischer 
Bevollmächtigter zum Bundesrate sein und etwa die Stellung 
eines Bundespräsidialgesandten bekleiden, 14) erst durch den kon- 
stitnierenden Reichstag habe er auf einen Antrag Bennigsens 15) 
die Stellung als leitender Reichsminister und oberster Verwal- 
tungsbeamter erhalten, 10) während seine ursprüngliche Position 
unverändert blieb. u) 
  
Bundesratsmitglied und wird vom Kaiser ernannt. (Absatz 1.) Da nun 
der Kaiser als solcher keine Bundesratsbevollmächtigte ernennen kann, 
sondern nur als König von Preußen, so ergibt sich, daß der Reichskanzler 
prenßischer Präsidialgesandter sein muß.“ Ebenso Proebst zu Art. 15, 
Anm. 3, S. 69. Dagegen Kliemke, S. 22f. 
13) Meyer, Lehrb., S. 433, Nr. 6; Hänel, Stud. II, S. 14, 17 f.; 
Dambitsch, S. 319; Rosenberg, S. 12; Graßmann im Arch. für öffentl. 
Recht XI, S. 300 f. « 
14) Vgl. hierzu die Worte Bismarcks im Reichstage am 5. März 
1878, Sten. Ber., S. 342. Nach ihm war der Kanzler gemäß dem Ent- 
wurfe „einfach das, was man in Frankfurt in bundestäglichen Zeiten einen 
Präsidialgesandten nannte, der seine Instruktionen von dem preußischen 
Ministerium der auswärtigen Angelegenheiten zu empfangen hatte und der 
nebenher das Präsidium im Bundesrat hatte.“ 
15) Drucks. des verfassungsber. Reichstags Nr. 48, S. 56, Sten. 
Ber., S. 4083. 
16) Hierzu bemerkt Bismarck in der obenerwähnten Sitzung: „Nun 
wurde durch den Art. 17 die Bedeutung des Reichskanzlers plötzlich zu der 
eines kontrasignierenden Ministers und nach der ganzen Stellung nicht
	        
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