Full text: Der Geschäftsgang im Bundesrat.

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kanglers die Gesetzmäßigkeit des Verfahrens beim Zustande- 
kommen des Gesetzes zu beurkunden und demgemäß vorher zu 
prüsen hat, oh ein gültiger Bundesratsbeschluß vorliegt, aber er 
hat dieses Prüsungsrecht nur hinsichtlich des fertigen Bundesrats- 
beschlusses vor der Publikation des Gesetzes. Außerdem hat er. 
da er nicht Träger der Reichsgewalt ist, nur diejenigen Rechte, 
die ihm ausdrücklich übertragen worden sind. Eine dahingehende 
Bestimmung existiert aber in dieser Hinsicht nicht, vielmehr ist 
über die Zuständigkeit zur Vollmachtprüfung überhaupt keine 
Vorschrift erlassen worden. Demnach hat der Kaiser weder 
das Recht noch die Pflicht, die Legitimation des Bundesrats- 
bevollmächtigten zu prüfen. 
Auch einec bes ondere Vorschrift über ein eventuelles Prüfungs- 
recht des Reichskanzlers enthält weder die Reichsverfassung noch 
die Geschäftsordnung des Bundesrats. Es ist in Art. 15 Abs. 1 
nur ganz allgemein gesagt, daß dem Reichskanzler der Vorsitz 
im Bundesrate und die Leitung der Geschäfte zustehe. Nun 
umfaßt der Begriff des Vorsitzes und der Geschäftsleitung in 
einer Versammlung nicht die Befugnis, die Legitimation. der 
Versammlungsmitglieder zu prüfen. Demnach müßte sich schon 
aus einer besonderen Vorschrift ergeben, daß dem Reichskanzler 
in seiner Eigenschaft als Bundesratsvorsitzender dieses Recht 
zustehe. Da eine solche Bestimmung fehlt, und die Rechts- 
vermutung für die Gesamtheit des Bundesrates spricht, so ist 
anzunehmen, daß die Vollmachtsprüfung der Bundesrats- 
mitglieder dem Bundesrate selbst zusteht. 50) 
Auf dem ehemaligen Deutschen Bundestage wurde die Voll- 
macht von den Bundestagsmitgliedern dem Präsidium überreicht, 
worauf die Bundesversammlung ihre Prüfung vornahm. Wenn 
diese die Legitimation als ordnungsmäßig anerkannt.hatte, durfte 
  
56) Derselben Ansicht: Vogels, S. 20 f.; Seydel, Komm., S. 133; 
Schulze, Lehrb. II, S. 52, 62; Arndt, Staatsr., S. 92; Anschütz, Enzykl., 
S. 541; Rosenberg, S. 11; v. Rönne, Staatsr., S. 204; Herwegen, S. 46; 
Hensel, Annalen 1882, S. 12; Meyer, Lehrb., S. 482; Kliemke, S. 20; 
F. Müller, S. 84; Querfurth, S. 15; Laband, Staatsr. I. S. 250 erkennt 
die Vollmachtsprüfung dem Reichskanzler zu, sofern nicht materielle Rechts- 
fragen, sondern nur die formelle Legitimation in Frage steht. Ahnlich Zorn, 
Staatsr. I, S. 158.
	        
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