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jenigen Gegenstände teilnehmen, bei deren Beratung im Aus—
schuß sie mitgewirkt haben.“ In der rev. Geschäftsordnung
des Bundesrates wurde die Bestimmung über die stellver—
tretenden Bevollmächtigten am Eingang mit oben erwähntem
Wortlaut aufgeführt.)
b. Zwischen v. Seydel?") und Perels) besteht eine
Meinungsverschiedenheit darüber, ob die Ernennung von stell-
vertretenden Bevollmächtigten „mit der Verfassung volltommen
im Einklange“?) sei oder nicht.
Es wäre vielleicht richtiger gewesen, wenn das Institut
der stellvertretenden Bevollmächtigten Aufnahme in die Ver-
fassung gefunden hätte, da, wie Perels richtig ausführt, die
Geschäftsordnung nur für die innerbundesratlichen Angelegen-
heiten Bedeutung habe, nicht „für das Verhältnis zwischen
Einzelstaaten und Bundesrat". Man kann jedoch jetzt an-
nehmen, daß die Grundlage für die Einrichtung gewohnheits-
rechtlich gegeben ist; 5) denn außer der dauernden und gleich-
förmigen Ubung wird man die zweite Voraussetzung des Ge-
wohnheitsrechts die opinio iuris sive necessitatis aller an
dem Rechtssatz Interessierten unterstellen können. Es fragt sich
aber hier, ob die Bildung des Gewohnheitsrechtes praeter
oder contra legem erfolgt ist, was insofern bedeutsam sein
könnte, weil von manchen Schriftstellern angenommen wird,
daß im Bereich des öffentlichen Rechts Gesetze durch wider-
sprechendes Gewohnheitsrecht nicht abgeändert werden können. )
Jedoch ist es hier nicht notwendig, die Streitfrage über die
Macht des Gewohnheitsrechts näher zu untersuchen; denn es
ist durch § 1 Geschäftsordn. m. E. nicht „von der Verfassung
abweichendes Recht“?) geschaffen worden. Nach Art. 6 Reichs-
93) Seit 1872 werden in dem Bundesratsmitgliederverzeichnis des
Reichsanzeigers (Nr. 72, nichtamtlicher Teil) auch die stellvertretenden Be-
vollmächtigten aufgezählt.
94) Seydel, Komm., S. 134. Ebenso Dambitsch, S. 211; Arndt.
Staatsr. S. 93, Komm., S. 102; Vogels, S. 15.
95) Perels, Stellv. Bevollm., S. 258.
96) Perels, Stellv. Bevollm., S. 266.
97) Vgl. über das Verhältnis von Gesetzes= zum Gewohnheitsrecht
auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts die bei G. Meyer, Lehrb., S. 53,
A. 1 zusammengestellte Literatur.