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Vorschrift ist der Kaiser verpflichtet, den Bundesrat einzu—
berufen, auch wenn er das aus eigener Entschließung nicht
tun wollte. Das Ersuchen der Einzelstaaten um Einberufung
des Bundesrats muß an den Kaiser gerichtet sein, da nur
dieser dem Wunsche entsprechen kann. Ein Zwang zu seiner
Durchführung besteht aber nicht, insbesondere hat der Bundes—
rat, auch wenn der Kaiser seiner Pflicht nicht nachkommen
sollte, nicht das Recht, sich von selbst zu versammeln.
Da der Bundesrat nicht mehr formell geschlossen wird,
so ist auch die kaiserliche Berufungspflicht in den vorangeführten
Fällen nicht mehr praktisch bedeutsam. Eine Anderung hierin
ist aber nicht ausgeschlossen, da der gegenwärtige Zustand nur
tatsächlich, und nicht verfassungsmäßig begründet ist.
IV. Eröffnung ist die Aufforderung an den Bundesrat,
seine Tätigkeit zu beginnen, womit die Sitzungsperiode ihren
Anfang sindet. Uber den Gang der Eröffnung sind nicht, wie
in der preußischen Verfassungsurkunde 15) bestimmte Vorschriften
gegeben. Es ist dies ein feierlicher Akt in Gegenwart des
Kaisers oder seines Beauftragten, 16) der beim Bundesrate durch
die Permanenz der Sitzungen überflüssig geworden ist.
V. Vertagung ist die Unterbrechung der Tätigkeit für
kurze, die. Schließung für eine längere, unbestimmte Zeit. Beim
Reichstage unterbricht die Vertagung nicht die Kontinuität der
Beratungen, die Schließung beim Reichstage wohl, beim Bun-
desrate aber nicht. Für die einzelnen Sitzungen und die ver-
schiedenen Sitzungsperioden des Bundesrats gilt das Prinzip
der Kontinuität, 1) d. h. die in einer Sitzungsperiode nicht ab-
geschlossenen Arbeiten können in der nächsten an dem Punkte
aufgenommen werden, wo sie unterbrochen worden sind. 1) Es
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15) Art. 77, Abs. 1: „Die Eröffnung und die Schließung der
Kammern geschieht durch den König in Person oder durch einen dazu
von ihm beauftragten Minister in einer Sitzung der vereinigten Kammern.“
16) Art. 12 Reichsverfass. normiert nur das Recht des Kaisers im
Verhältnis zu Bundesrat und Reichstag, nicht aber wird dadurch die per-
sönliche Ausübung dieser Befugnis vorgeschrieben.
17) Diskontinuität kommt nur bei eigentlichen parlamentarischen
Körpern vor.
18) Vgl. Meyer, Lehrb. I, S. 435; Laband, Staatsr. I, S. 277f.;
Arndt, Komm., S. 138.