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erhielten, denn wir rannten zusammen. Dort wollten die
hohen Beamten uns nicht mehr ziehen lassen; es war dicke
Luft. Aber unser guter Führer regelte alles mit Geld,
und bald sauste der Zug wieder los. Wir hatten so in
einer Nacht ganz Rumänien durchquert.
Morgens 6 Uhr wurden wir unseren schön eingerichteten
Zug los, denn in St. Georgio wurden wir über die Donau
gesetzt, mit Sack und Pack. Es war uns die Bedingung
gestellt, um do Uhr müßten wir verschwunden sein, und
es blieb und nicht viel Zeit; mit drei Dampfern fuhren
wir immer rüber und nüber mit den Proviantkisten. Auch
dort mußte viel Geld fließen, und viele Kisten verschwanden.
Aber was erwartete uns auf der anderen Seite? Die
schmutzigsten Viehwagen, welche wir glaubten für den Pro-
viant zu haben, waren für uns bestimmt. Mit 48 Mann
waren wir drinnen und obenauf. Aber in der Not ging's doch.
In Sofia bekamen wir wieder Wagen dritter Klasse.
Auf der weiten Strecke brachte es unser Kapitän mal fertig,
den Zug halten zu lassen auf freier Strecke, und 600 Mann
sprangen ausden
Kupees in die
Fluten eines
Flusses, und in
der Nähe erer-
zierte Militär.
Aber auf ein
Signal war alles
wieder im Wa-
gen und weiter
ging die Fahrt.
So sorgte unser
Kapitän für
uns. . So ka-
men wir nach
elftägiger Fahrt
am 1. Septem-
ber in Kon-
stantinopel an
und wir dankten
Gott, daß es ge-
glückt war. Denn
wir waren jietzt
unter Schutz der
hohen Pforte.
Wir wurden zum Hafen geführt und gleich eingeschifft
auf dem „General“ der Deutsch-Afrika-Linie. Dort konnten
wir uns zum ersten Male wieder aalen. Ich z. B. wohnte
für eine Nacht zweiter Klasse. Wir bekamen gutes Essen
und rauchten Simon Arzt zur Abwechslung. 3 Uhr fuhren
wir los nach dem Booporus zu, auf dem Wege dorthin
konnten wir die Herrlichkeiten der herrlichen alten Türken-
hauptstadt bewundern.
Es war prächtig, auf einmal tauchte die „Breslau“ "
auf, welche schon vieles hinter sich hatte, und begrüßte die
Kameraden mit donnerndem Hurra. Es wurde stark er-
widert.
Eo dunkelte, und es verschwand einer nach dem an-
deren in seiner Koje. Ich aber fand keine Nuhe und sah
dem herrlichen Wolkenspiel zu, was man in der Heimat
nicht hat. An der Einfahrt zum Bosporus verabschiedeten
wir ung von den Kameraden für dort, und weiter ging's
ino Marmarameer zurück, legten an der „Breslau“
längsseits an und hatten von 10 bis 11 Uhr abends Zeit,
und mit den Mannschaften zu unterhalten, wir mußten
auch wieder scheiden, denn unser Ziel waren die Dar-
danellen. Wir gingen zur Nuhe, und als wir aufwachten,
waren wir schon dort. Wir bekamen noch einmal warmes
Essen und wurden dann auggeschifft. Das Städtchen Kil-
El-Bar, wo wir abgesetzt wurden, machte keinen guten
Ein Labetrunk
Eindruck. Wir kamen nach einem alten nahegelegenen Fort.
Aber dort sollten wir was erleben, denn von außen machte
es einen guten Eindruck, aber innen. Was war da? Nichts
und nochmals nichts. Aber was läuft da so schnell? Natten
und Mäuse — nette Bescherung, und an der Wand waren
dunkle Flecken; es waren Wanzen, die auf Futter warteten.
Das waren unsere ersten Bekanntschaften, die wir in der
schönen Kaserne machten. Wir mußten hier acht Tage
bleiben, die wird wohl keiner vergessen, denn wir lebten
von Brot und Tee. Die Türken lieferten und wohl Essen
aber — aber Cselfleisch mit Melonenschalen oder Sau-
bohnen mit ranzigem Ol; darauf mußten wir ver-
zichten, denn unser Magen mochte es nicht aufnehmen. So
mußten wir undg mit dem Brot begnügen. Nun stellten
sich bei dieser kolossalen Hitze noch Krankheiten ein, Oysen-
terie und Ruhr. Mir spielte es auch zwei Tage mit. Wir
dankten Gott, daß wir nach acht Tagen fort kamen, wir
hatten türkische Uniformen erhalten, alles neu. Wir
wurden verteilt auf die einzelnen Forts. Unsere erste
Aufgabe war,
die Geschütze in
Stand zu setzen,
denn sie waren
fast unbrauch-
bar. Wir woh-
nen nun in Zel-
ten zu fünf
Mann, wie noch
heute. Es ist
klein, aber im
Gutengehtalles.
Die Verhältnisse
änderten sich
gleich, denn wir
kochten gleich
nach unserem
Stil. So verging
die Zeit, teils
mit Unterrichten,
teils mit Repa-
rieren. Bis wir
plötzlich am 3.
November mor-
gens mit Donner
und Krachen geweckt wurden, aber in kurzer geit war alles
klar. Die englische Mittelmeerflotte beschoß die Außenforts.
Wir konnten leider nicht helfen, da wir außer Schußweite
lagen, aber zusehen mußten wir mit Wut. Engländer gaben in
kurzer Zeit ungefähr 250 Schuß schweres Kaliber immer in-
direkt geschossen, so daß die beschossenen Forts sich nicht ein-
mal wehren konnten. Sie erlitten einen geringen Schaden.
Zwei Geschütze versandet, 30 Offiziere, 60 Mann tot,
30 schwerverwundet. Währenddem 15 Treffer, andere weit
oder kurz, beschoß „Torgud Reiß“ die Flotte mit 15 Schuß
und machte ein Kampfschiff unfähig. Das sich sofort
zurückzog, mit ihm das ganze Geschwader. Dies feige Ge-
sindel; offenen Kampf wünschen sie nicht.
Seitdem kam nichts mehr vor. Wir hielten Schieß-
übungen ab und die Engländer auch. Ein Torpedoboot,
das besetzt mit deutschen und türkischen Offizieren raus-
fuhr, wurde angehalten und aufgefordert, die Deutschen
müßten sofort die Forts verlassen, aber Gott sei Dank
wir sind heute noch hier. Und sie haben Dampf.
Fort Hamidje, 12. Jan. 1915.
Matr.-Art. Paul Dutschke aus Dreöden
b. Sonderkommando Dardanellen.