Full text: Sachsen in großer Zeit. Band I. (1)

Aus den Kämpfen um Lodz 
Der auch im Kriege gefallene erzgebirgische Mundart- 
dichter Albert Räppel aus Annaberg hat die harten Tage 
um Lodz in einem prächtigen Feldxostbriefe beschrieben: 
... „Herr Hauptmann, eben ist der Küchenwagen ein- 
getroffen, die Mannschaften können essen!“ meldete unser 
Feldwebel. — „Gott sei Dank! — Nun aber schnell los!“ 
antwortete der Hauptmann freudig. „Kinder vorwärts, 
damit euer Magen wieder mal was Warmes bekommt!“ 
— Etwao „Warmes"“ konnte unser Magen gebrauchen. 
Seit morgens 1 Uhr waren wir heute auf den Beinen, 
ohne Kaffee oder sonst etwas genossen zu haben. Schützen- 
gräben wurden in aller Stille ausgeworfen; denn in dem 
etwa einen Kilometer vor uns liegenden Dorfe sollten die 
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schwärmt und hatten das Schnellfeuer auf uns eröffnet. 
Unsere Patrouille hatte sie dann von der Flanke beschossen 
und da mußten sie Reißaus nehmen, fünf Tote und drei 
Verwundete zurücklassend. Sonst war vom Feinde beine 
Spur bemerkt worden. Dreißig Russen, die sich in den 
Häusern versteckt hatten, machten wir noch zu Gefangenen, 
dann ging es wieder vorwärts. Der Feind mußte sich ziem- 
lich weit zurückge zogen haben; denn wir marschierten durch 
vier kleine Dörfer ohne auf feindliche Spuren zu stoßen. 
Gegen Mittag aber bekamen wir plößlich feindliches Artil- 
leriefeuer. Salve auf Salve sandten die Russen herüber, 
sie schossen aber viel zu kurz! Wir lagen in guter Deckung 
und sahen dem Schauspiel zu. Jetzt rasselte auch unsere 
schwere Artillerte heran und fuhr hinter dem Dorfe auf. 
  
  
  
  
  
Früherer Unterstand des Infanterie-Regiments 103 
Russen liegen zum Angriff bereit. Gegen vier Uhr früh 
kam plötzlich der Befehl: „Vorrücken — das Dorf be- 
setzen !“ Auesgeschwärmt ging ein Zug unserer Kompagnie 
langsam vor auf das Dorf zu, das Bataillon folgte in 
Abständen dahinter. — Nur fünfzig Meter waren wir noch 
vom Dorfe entfernt, da krachte plötzlich ein Schuß durch 
die nächtliche Stille; wie auf Kommando lagen wir auf 
dem gefrorenen Boden, das Gewehr im Anschlag. Jetzt 
pfiffen die Kugeln über uns hinweg, förmliche Salven 
sandte uns der Feind herüber. Und wir konnten nicht 
schießen, vom Feinde war keine Spur zu sehen. Ver- 
schwendung wäre jeder Schuß gewesen! Aber die Russen 
schossen wie wahnsinnig, freilich, ohne auch nur eine Maus 
zu treffen. Das ist typisch bei ihnen. 
Jetzt schlich eine Patrouille von und sich seitwärts an 
das Dorf heran. Nach einer Weile krachten noch einige 
Schüsse, dann wurde es plötzlich still. Bald kam die 
Patrouille zurück und meldete, daß das Dorf frei sei. 
Zwanzig bis dreißig Kosaken waren vor dem Dorfe auage- 
der Teufel mit seinem Gefolge durch die Luft sauste. Nach 
einer Stunde hörte der Höllenlärm auf, die Kanonen schwie- 
gen. Das war gegen 3 Uhr nachmittags. 
Nun war endlich auch unsere Küche berangekommen. 
Das Bataillon besaß keine „Gulaschkanonen“, wir mußten 
dac Essen in Kesseln, die jede Kompagnie besaß, bochen 
lassen, wenn in den Quartieren keine Gelegenheit dazu war. 
— Bohnen mit Schweinefleisch gab es! O, Hochgenuß! 
Das war einmal etwas für den hungrigen Magen! Da 
plötzlich kommt ein Meldereiter angesprengt und meldet 
unserm Major: „Bataillon Nr. . sofort antreten, Stel- 
lungowechsel, Abmarsch nach 3.“ — Feldbesseldeckel auf- 
geschnallt, Tornister auf und fort ging es! Unsere schönen 
Bohnen mußten wir unverzehrt lassen. — Aber gerochen 
hatten wir sie, und das ist auch schon etwas! Man wird 
im Kriege so genügsam! — Unser Bataillon marschierte 
wieder an der Spitze der Brigade. Wieder ging es durch 
armselige Dörfer, teilweise zerstört und abgebrannt; überall 
stießen wir auf Vorschanzen der Russen, kunstvolle Schützen- 
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