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gräben, in deren Anlegung sie bekanntlich Meister sind.
Patronen, Gewehre lagen überall umher. Uberall ein Bild
deo eiligen Rückzuges. Lodz war in deutschen Hän-
den. Unsere Brigade stand ungefähr zehn Kilometer nörd-
lich von Lodz, und hatte die Aufgabe, dem Feinde nachzu-
drängen.
Die Nacht sank herab. Wir marschierten volle zwei
Stunden durch sumpfiges Gelände. Oft mußten wir in
Reihen hintereinander laufen. Mancher sank bis über die
Knie in den glitschigen Moorboden hinein! Weiter ging's!
— Endlich gegen 9 Uhr abends langte unser Bataillon
in Z. an, ein kleines Dorf, ungefähr zwanzig Häuser zäh-
lend. Und in diesen armseligen Bauernkaten sollte das
ganze Bataillon Platz finden. Doch es ging! Im Kriege
muß überhaupt alles gehen, das Unmögliche möglich ge-
macht werden. Meine Kompagnie mußte wieder die Vor-
posten stellen, der erste Zug, dem auch ich angehörte, be-
zog als Feldwache ein Bauerngehöft, zweihundert Meter
auf unsere Feldwache zu!1 Unser Doppelposten ließ sie
ruhig heranmarschieren, schoß drei von ihnen hinweg und
nahm die andern in sichere Obhut. Die armen Kerle, zwei
davon Juden, waren froh, daß sie gefangen waren. Der
eine war sogar aus Lodz und freute sich wie ein König,
daß Lodz wieder in deutschen Händen war. Aber diese kleine
Schießerei sollte ernstere Folgen haben; denn plötzlich, wie
auf Kommando, bekamen wir von zwei Seiten Feuer.
Ein wahrer Geschoßregen prasselte auf die schnell aus-
geschwärmte Feldwache hernieder. Von den Höhen kam
der Hagel, aber wir sahen nichts vom Feind. Da kam
vom Hauptmann der Befehl, daß wir uns einzeln auf die
Kompagniestellung zurückziehen sollten. Das war eine ge-
fährliche Sache, doch sie gelang, wir hatten nur einen Ver-
wundeten dabei.
In dem Bauerngehöft, vor dem die Kompagnie ausge-
schwärmt lag, stand noch unsere kleine Bagage. Mitten im
Hof stand unser Kaffeekessel auf dem Feuer, eben sollte der
vom Dorfe „Morgen-
entfernt. Ge- . kaffee“ in al-
gen 10 Uhr ler Ruhe und
abends fin- Gemütlich-
gen wir end- keit einge-
lich an, un- nommen
sere Mahl- werden. Aber
zeit zu berei- jetzt gab es
ten. Es gab anstatt Kaf-
Kartoffeln, fee „blaue
Salz, Kaffee, Bohnen!"“
Feldzwieback, Schnell wur-
was will das den die Wa-
Herz noch gen bepackt
mehr!Wegen — unserschö-
des Sump- ner Kaffee—
fes mußte ausgeschüttet.
unsere kleine Die Wagen
Bagage sausten zu-
einen Um- rück! Es war
weg machen auch höchste
und kam erst Zeit! Denn
gegen 4 Uhr jetzt kam es
früh in Z. an. wieder von
Inzwischen drüben: pssßt
waren aber — pssßt! —
unsere schö- Erbeutetes Geschützmaterial in einer Sammelstelle hinter der Front Und wir
nen Bohnen konnten nicht
sauer geworden! — Die Posten standen auf der Wacht und
spähten nach dem Feinde aus, also konnten wir unsere
müden Knochen endlich auf dem Strohlager ausruhen
lassen. Das tat wohl! Alle schliefen oder — schnarchten
bald, nur der Wachhabende, unser Feldwebelleut-
nant, saß bei des Lichtchens Schein am wackligen Bauern=
tisch und schrieb an seine Lieben daheim. — Herrgott,
schnarchten die Kerle! — Trotzdem ich müde war, todmüde,
konnte ich doch nicht gleich einschlafen. Ich lag in meiner
Ecke mit offenen Augen und betrachtete unsern Zugführer:
Ein feingeschnittenes Gesicht, kleiner Mund, schöne blaue,
treue Augen, ein ruhiger Mensch, und doch tapfer, der keine
Furcht kannte, sich furchtlos ins tollste Kampfgewühl
stürzte, wenn es galt. — Ein deutscher Held wie alle, alle!
Sein Mund lächelte, gewiß schrieb er an seine Braut, von
der er mir oft erzählte. — Sorglos, die Gefahr miß-
achtend, lagen wir da, als ob es keinen Feind in der Welt
gäbe! Krieg stumpft ab! Und das ist auch gut so. Nerven
gibt's im Krieg nicht, höchstens aus — Bindfaden!
Aber der Feind war doch so nahe! Gegen Morgen des
anderen Tags, als langsam die Dämmerung heraufstieg,
kommt langsam und bedächtig durch das Wäldchen drüben
eine feindliche Patrouille pon sechs Mann daher, gerade
schießen, sahen die Bande nicht! Schauderhaftes Gefühl,
dieses Pfeifen, ohne antworten zu können. Und dann löste
sich vorn vom Hügel das Ungeheuer, stieg krachend in die
Luft und heulte auf uns zu: Eine feindliche Granate!
Mitten im Hofe landete sie, dort, wo noch vor wenigen
Augenblicken unser schöner Kochkessel gestanden hatte.
Diese niederträchtigen Russen, nicht einmal den gönnten
sie und!
Unterdessen war das ganze Bataillon auf die Beine
gebracht, rechts und links von uns schwärmten die Kom-
pagnien aus. Aber gerade auf unsere Kompagnie schien es
der Feind abgesehen zu haben. Denn vor und hinter unserer
Kompagnie schlugen mit dumpfem Gebrüll die Granaten
ein. Jetzt heulte es auch von den Flanken rechts und links:
Schrappnells platzten in der Luft und streuten ihren Eisen-
hagel auf unsere Linie. Das feindliche Gewehrfeuer schwieg
jetzt. Hier schrie einer getroffen auf, dort sank ein Kamerad
und dort — dort — ach es war gräßlich. Und dabei
immer ruhig liegen — nicht schießen können! — „Kinder!“
schric unser Hauptmann und richtete sich aus der Schützen=
linie in ganzer Größe auf: „Aushalten, bis Befehl kommt!“
Und dann — Herrgott, war es möglich! — sank unser
Hauptmann, gerade er, den wir alle vergötterten, der wie